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Steuerhinterziehung: Welche Strafen drohen?

Bei Steuerhinterziehung droht eine Geld- oder Freiheitsstrafe. Doch wie genau wird die Strafe bei einer Steuerhinterziehung eigentlich bemessen? Welche Umstände wirken sich strafschärfend und welche strafmildernd aus? Darum geht es in diesem Beitrag.

1. Einführung

Dass es sich bei einer Steuerhinterziehung um alles andere als ein Kavaliersdelikt handelt, ist hinlänglich bekannt. Es gibt zahlreiche Beispiele von Prominenten, in denen entsprechende Gerichtsverfahren für hohes mediales Aufsehen gesorgt haben. Die meisten Menschen wissen daher, dass sie sich im Falle einer Steuerhinterziehung nicht nur in die Gefahr einer Geldstrafe begeben, sondern mitunter sogar eine Freiheitsstrafe riskieren.

Hinweis: Im Steuerstrafrecht ist zwischen Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten zu unterscheiden. Nur Straftaten können mit Freiheitsstrafe belegt werden. Die Steuerhinterziehung zählt folglich zu den Steuerstraftaten.

Weniger bekannt ist hingegen, wie im Falle der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung das konkrete Strafmaß gebildet wird. Wem ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung droht, wird allerdings wissen wollen, mit welcher Strafe er im Falle einer Verurteilung rechnen muss. Häufig wird dann im Internet nach vergleichbaren Fällen oder entsprechenden Tabellen gesucht, um die Konsequenzen einer Verurteilung abschätzen zu können. Dieses Vorgehen ist aber aus mehreren Gründen problematisch.

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Kein Fall ist wie der andere. Was zunächst banal klingt, ist tatsächlich der wichtigste Grund dafür, warum man jeden Vergleich mit vermeintlich ähnlich gelagerten Fällen vermeiden sollte. Das deutsche Strafrecht wird von dem Grundsatz bestimmt, dass sich die Strafe immer an der individuellen Schuld des Täters zu orientieren hat. Wer also bei der Begehung einer Straftat besonders viel kriminelle Energie aufwendet oder ein langes Vorstrafenregister führt, wird härter bestraft als jemand, der zum ersten Mal strafrechtlich in Erscheinung tritt und die Tat auch nur widerwillig verübt hat. Dass diese Fälle, wenn sie ein und dasselbe Delikt betreffen, im Strafmaß unterschiedlich zu behandeln sind, dürfte jedem einleuchten.

Zum anderen wird im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung häufig übersehen, dass die Höhe der hinterzogenen Steuern bei weitem nicht das einzige Kriterium für die Bemessung der Strafe ist. Zwar ist der durch die Tat angerichteten Schadens immer ein bedeutender Faktor im Rahmen der Urteilsfindung und Strafzumessung. Es gibt aber eine ganze Reihe weiterer Faktoren, die sich auf die Höhe der Strafe auswirken können.

Was folgt daraus?

Aus all dem folgt, dass die Folgen einer Steuerhinterziehung viel zu komplex sind, um sie allein mit einer Aneinanderreihung von Einzelfällen verlässlich darzustellen. Außerdem stehen viele Faktoren, die für die Bildung der Strafe von Bedeutung sind, vor einer Verurteilung noch gar nicht fest.

Immer in Betracht zu ziehen ist die Möglichkeit, dass ein gerichtliches Verfahren noch abgewendet werden kann – bestenfalls natürlich durch eine Einstellung des Verfahrens. Aber auch die Annahme eines Strafbefehls kann sich positiv auf das Strafmaß auswirken.

Und auch wenn es zu einem gerichtlichen Verfahren kommen würde, ist es keinesfalls selbstverständlich, dass die Anklage mit all ihren Forderungen vor Gericht Gehör findet. Es ist durchaus möglich, dass sich einzelne Vorwürfe vor Gericht nicht bestätigen oder im Verfahren schlicht keine Berücksichtigung finden (Stichwort: Beweisverbot).

Hinweis: Welche Strategie die beste ist, ob etwa auf eine Einstellung des Verfahrens hingewirkt werden kann oder ob die Annahme eines Strafbefehls (oder der Einspruch dagegen) anzuraten ist, kann nicht pauschal beantwortet werden. Dies muss immer sorgfältig im Einzelfall und unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände geprüft werden.

Woran kann man sich orientieren?

Wie bei allen Straftaten – und das ist bei der Steuerhinterziehung nicht anders – richtet sich die Höhe der Strafe im Wesentlich nach zwei Faktoren, nämlich:

  1. dem anzuwendenden Strafrahmen und
  2. der konkreten Strafzumessung im Einzelfall.

Der Strafrahmen wird für jede Straftat vom Gesetz festgelegt. Er gibt an, wo bei einer Straftat die Ober- und wo die Untergrenze für das anzuwendende Strafmaß liegen. Die Gerichte können die Strafe nur innerhalb dieser Grenzen festsetzen. Ein „Ausbruch“ nach oben oder unten ist nicht möglich. Die Gerichte müssen sozusagen mit dem „arbeiten“, was das Gesetz ihnen an die Hand gibt.

Hinweis: Wird der Strafrahmen vom Gericht unzutreffend ermittelt, hat das Urteil im Hinblick auf die damit verbundene Strafe keinen Bestand (siehe etwa BGH, Beschl. v. 14.04.2010 – Az. 2 StR 159/10)

2. Der Strafrahmen bei Steuerhinterziehung

Bei Steuerhinterziehung sind zwei Strafrahmen zu beachten:

  1. Der Strafrahmen für „normale“ Steuerhinterziehung sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor.
  2. Der Strafrahmen für besonders schwere Fälle fällt deutlich höher aus. Danach kann die Tat mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet werden.

Daraus folgen im Wesentlichen zwei Dinge:

  1. Der Täter kann in einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung nicht mehr nur mit einer bloßen Geldstrafe rechnen. Diese sieht das Gesetz schlicht nicht vor.
  2. Das Mindestmaß der Freiheitsstrafe liegt in schweren Fällen bei sechs Monaten, während im Falle der „einfachen“ Steuerhinterziehung die Freiheitsstrafe auch noch unterhalb dieser Schwelle liegen kann. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass nach dem Gesetz eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur in Ausnahmefällen verhängt werden.
Hinweis: Dass das Gesetz eine Tat (allein) mit Freiheitsstrafe belegt, bedeutet noch nicht, dass die Freiheitsstrafe auch vollzogen wird. Es besteht dann immer noch die Möglichkeit, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird.

Bei einer Steuerhinterziehung in mehreren Fällen (Tatmehrheit) reicht die Freiheitsstrafe bis maximal 15 Jahre. Dies hat jedoch nichts mit dem Strafrahmen an sich zu tun.

Wann liegt ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vor?

Der besonders schwere Fall der Steuerhinterziehung wird im Gesetz ausführlich beschrieben. Von besonders hoher praktischer Bedeutung ist dabei vor allem die Steuerhinterziehung im großen Ausmaß. Wann eine solche vorliegt, wurde in der früheren Rechtsprechung nicht immer einheitlich beantwortet. Je nach Art der Tatausführung legte sie mal einen niedrigeren, mal einen höheren Grenzwert zugrunde.

Diese – für die Praxis nur schwer handhabbare – Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof im Jahre 2015 aufgegeben (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2015, 1 StR 373/15).

Seitdem gilt für das Merkmal des großen Ausmaßes ein einheitlicher Hinterziehungsbetrag in Höhe von 50.000 EUR. Wird dieser im Rahmen der Steuerhinterziehung überschritten, so ist grundsätzlich von einer Steuerhinterziehung in großem Ausmaß auszugehen – und damit von einem besonders schweren Fall der Tatbegehung.

3. Die Strafzumessung

Die Bemessung der Strafe hat sich stets nach der individuellen Schuld des Täters zu richten. Aus diesem Grund lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen dahingehend treffen, dass die Hinterziehung von Steuern der Summe „X“ automatisch zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe in Höhe von „Y“ führt. Dies liefe nämlich dem Ansatz zuwider, die Tat schuldangemessen zu bestrafen.

Vielmehr wägt das Gericht bei der Strafzumessung sämtliche Umstände des Einzelfalls gegeneinander ab, die für und gegen den Täter sprechen. Je nachdem in welchem Licht diese die Tat erscheinen lassen, wirken sich diese Umstände entweder strafschärfend oder strafmildernd aus.

Dabei berücksichtigt das Gericht unter anderem folgende Gesichtspunkte:

  • die Beweggründe und Ziele des Täters
  • die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille
  • das Vorleben des Täters sowie seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
  • das Verhalten des Täters nach der Tat
  • das Bemühen des Täters, den Schaden wiedergutzumachen
  • die Auswirkungen der Strafe auf das künftige Leben des Täters

Aus der Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls wird das Gericht die Entscheidung treffen, inwieweit der anwendbare Strafrahmen auszuschöpfen ist.

Beweggründe und Ziele

Stets von großer Bedeutung für die Strafzumessung ist die Frage, welche Motive und Ziele den Täter zu seiner Tat veranlasst haben. Wer Steuern hinterzieht, um seine Familie über Wasser zu halten oder um den Betrieb und damit die Arbeitsplätze zu retten, kann eher auf eine milde Bestrafung hoffen als jemand, der sich ausschließlich privat bereichern wollte.

Gesinnung und Wille

Auch die Gesinnung und der Wille des Täters haben auf die Bestrafung entscheidenden Einfluss. Wer gezielt mehrere Unternehmen gründet, um mit dem Firmengeflecht Umsatzsteuerbetrug zu begehen oder Einnahmen am Finanzamt vorbei zu verschieben, der zeigt damit, dass er die Steuerhinterziehung mit großer krimineller Energie vorbereitet hat und den Vorsatz lange Zeit aufrechterhalten und verwirklicht hat. Das dürfte sich bei der Strafzumessung nicht gerade günstig auswirken.

Kann man jedoch glaubhaft machten, dass die Steuerhinterziehung eher eine spontan erfolgte Dummheit und ein einmaliger Ausrutscher war, so kann sich dies positiv auf das Strafmaß auswirken. Dasselbe gilt, wenn dargelegt wird die Tat wurde durch Krankheit, Alter oder eine steuerliche Unerfahrenheit beeinflusst.

Vorleben des Täters sowie persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse

Bei der Betrachtung des Vorlebens des Täters ist vor allem von Bedeutung, inwieweit dieses (einschlägige) Vorstrafen aufweist. Je nachdem kann sich dies entweder strafmildernd oder strafschärfend auswirken.

Zu den persönlichen Verhältnisse des Täters zählen Familienstand, Beruf, Gesundheit und Wohnverhältnisse. Das Gericht wird dabei etwa prüfen, inwieweit widrige Lebensumstände die Umsetzung der Tat mitbestimmt haben.

Verhalten nach der Tat und Wiedergutmachung des Schadens

Wichtig für die Höhe der Strafe ist weiter, wie der Beschuldigte sich nach der Tat verhalten hat. Einsichtige Verhalten, wie Geständnis und Reue, werden allgemeinhin strafmildernd angerechnet.

Hinweis: Auch eine fehlgeschlagene Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung kann dem Täter strafmildernd angerechnet werden. Voraussetzung ist, dass dadurch ein ernsthafter Wille zurück in die Legalität zum Ausdruck kommt. Insoweit kann sich eine unwirksame Selbstanzeige sogar dann noch als vorteilhaft erweisen, wenn das Finanzamt bereits Kenntnis von der Steuerhinterziehung hat und es für die Selbstanzeige eigentlich schon zu spät ist.

Die hinterzogenen Steuern müssen samt Zinsen vollständig nachentrichtet werden. Vielleicht hat man als Beschuldigter dafür nicht das Geld, z.B. wenn das Unternehmen zahlungsunfähig wurde oder man selbst Privatinsolvenz anmelden musste. In diesem Fall sollte nachweisbar sein, dass man sich ernsthaft angestrengt hat, zumindest einen Teil der Steuerschuld zu begleichen, gegebenenfalls über mehrere Jahre hinweg. Das kann dann durchaus einen Strafmilderungsgrund darstellen.

Zudem kann es sich strafmildernd auswirken, wenn man dafür sorgt, dass ein vergleichbares Fehlverhalten nicht mehr so leicht vorkommt. Ein Beispiel wäre die aktive Einführung eines Compliance-Systems im Unternehmen, um schwarze Kassen für die Zukunft zu verhindern. Solche Anstrengungen können dafür sorgen, dass die Strafe geringer ausfällt.

Auswirkungen der Strafe auf das künftige Leben des Täters

Schließlich soll das Gericht bei der Strafzumessung die Wirkungen berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind. Dabei spielen auch die beruflichen Folgen der Strafe eine Rolle, denn für viele Berufsgruppen hat eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung erhebliche Konsequenzen. Bei einem Rechtsanwalt, Steuerberater, Arzt oder Zahnarzt kann die Zulassung in Gefahr sein, bei Unternehmern die Gewerbeerlaubnis. In der Gastronomie kann eine Verurteilung die Konzession kosten.

Wenn solche Konsequenzen drohen, lässt sich das als Argument für eine Strafmilderung anführen. Das Argument: Durch diese Folgen ist der Beschuldigte gestraft genug, eine zusätzliche hohe Geld- oder gar Freiheitsstrafe nicht erforderlich.

Falls eine Verurteilung die wirtschaftliche oder berufliche Grundlage des Betroffenen beeinträchtigen oder gar vernichten kann, dann muss das Gericht das berücksichtigen. Dies hat der Bundesgerichtshof so entschieden (BGH, Urteil vom 04.08.2015, Az. 3 StR 265/15).

4. Höhe der Geldstrafe

Die Geldstrafe bei einer Steuerhinterziehung wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt allgemein mindestens 5 und höchstens 360 volle Tagessätze. Bei der Bildung einer Gesamtstrafe kann die Zahl der Tagessätze bis zu 720 betragen. Ein Tagessatz beträgt mindestens 1,00 EUR und höchstens 30.000,00 EUR.

Kann der Verurteilte nicht zahlen, tritt an die Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe. Dabei entspricht jeweils ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

Hinweis: Im Rahmen einer Steuerhinterziehung kann sowohl eine Geldstrafe als auch eine Freiheitsstrafe verhängt werden. Für den Täter kann die Kombination von Geld- und Freiheitsstrafe von Vorteil sein, wenn ohne die Geldstrafe eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verhängt werden müsste.

Die Höhe der Geldstrafe richtet sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters. Ausgangsgröße ist das Nettoeinkommen, das der Täter hat oder haben könnte. Das Einkommen setzt sich zusammen aus sämtlichen Einkünften – ganz gleich, ob aus selbständiger oder unselbständiger Arbeit. Auch weitere Faktoren, wie Unterhalts- oder Sachbezüge, können hinzugezählt werden. Diesbezüglich haben die Gerichte einen äußerst breiten Ermessensspielraum. Macht der Täter keine oder nur unzureichende Angaben über seine Einkommensverhältnisse, können seine Einkünfte geschätzt werden.

Hinweis: Ab einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen kann ein Eintrag ins Führungszeugnis erfolgen.

5. Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung

Bei einer Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung stellt sich die Frage, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Hinweis: Geldstrafen können nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Ob neben der Freiheitsstrafe noch eine Geldstrafe verhängt wurde, ist für die Aussetzung einer Freiheitsstrafe unerheblich.

Ob eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, hängt im Wesentlichen von zwei Kriterien ab – und zwar namentlich von:

  1. der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe und davon,
  2. ob schon die Verurteilung als Warnung für den Verurteilten dient und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (sog. Kriminalprognose).

Dauer der Freiheitsstrafe

Es sind hierbei folgende Stufen zu unterscheiden:

  • Bei einer Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten führt eine günstige Kriminalprognose praktisch immer zur Aussetzung der Strafe. Nur wenn dem besondere Umstände entgegenstehen, wird die Strafe nicht ausgesetzt. Diese Fälle sind allerdings selten.
  • Bei Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr kann bei günstiger Kriminalprognose die Strafe ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden. Allerdings wird sich das Gericht dann noch intensiver mit den Wirkungen befassen, die die Aussetzung der Strafe auf die Öffentlichkeit hat. Dies hängt auch mit der Höhe der hinterzogenen Steuer zusammen. Genaue Grenzwerte gibt es hierzu allerdings nicht.
Hinweis: Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung immer wieder betont, dass bei einer Steuerhinterziehung in einem beträchtlichen Umfang eine strenge Ahndung erforderlich ist, um die Rechtstreue der Bevölkerung zu erhalten (vgl. etwa BGH, Urt. v. 13.06.1985 – Az. 4 StR 219/85).
  • Bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zwei Jahre hängt die Aussetzung der Strafe zur Bewährung neben einer günstigen Kriminalprognose von dem Vorliegen „besonderer Umstände“ ab. Solche Umstände sind beispielsweise (Aufzählung nicht abschließend):
    • eine nur noch geringe Lebenserwartung
    • Auswirkungen bereits erlittener Haft
    • ein erhebliches soziales Engagement
    • eine Vorgeschichte zur Tat
    • erstmaliger Vollzug bei einem alten Menschen
    • lange Verfahrensdauer oder längeres Zurückliegen der Tat

Kriterien für die Kriminalprognose

Die Frage nach einer günstigen Kriminalprognose wird – im Rahmen einer Gesamtwürdigung – anhand des einzelnen Täters beurteilt.

Dabei spielen folgende Kriterien eine Rolle:

  • die Persönlichkeit des Täters und sein Vorleben,
  • die Umstände der Tat,
  • das Verhalten nach der Tat,
  • die Lebensverhältnisse,
  • die Wirkungen, die von der Aussetzung der Strafe zu erwarten sind.

Die Gesichtspunkte der Strafzumessung und die Kriterien für eine günstige Kriminalprognose sind sich in dieser Hinsicht zwar sehr ähnlich. Beide Aspekte werden von den Gerichten aber getrennt betrachtet. Das heißt: Der Richter muss zunächst einmal die (schuldangemessene) Strafe festsetzen. Erst wenn sich daraus ergibt, dass die Strafe in den vorgenannten Grenzen liegt, können Überlegungen zur Aussetzung der Strafe angestellt werden.

6. Berufliche und sonstige Konsequenzen der Steuerhinterziehung

Eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung kann einschneidende berufliche Folgen haben. Mögliche Konsequenz ist zum Beispiel der Widerruf einer Gaststättenerlaubnis oder eine Gewerbeuntersagung. Für Unternehmer wirkt sich dies praktisch wie ein Berufsverbot aus. Ebenfalls denkbar sind disziplinar- oder arbeitsrechtliche Folgen.

Außerdem kann die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung einen Eintrag ins Wettbewerbsregister nach sich ziehen. Unternehmen können dadurch von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.

7. Verjährung

Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung unterliegt der Verjährung. Tritt diese ein, kann die Tat nicht mehr geahndet werden, egal wie viele Steuern hinterzogen wurden. Die Frage nach der Höhe der Strafe stellt sich dann gar nicht erst.

Es wird zwischen unterschiedlichen Verjährungsregeln unterschieden:

  • Die strafrechtliche Verjährungsfrist beträgt bei Steuerhinterziehung grundsätzlich fünf Jahre und beginnt mit Vollendung der Tat. Wann dies der Fall ist, kann je nach Steuerart unterschiedlich zu bewerten sein. Bei Veranlagungssteuern (z.B. Einkommens-, Körperschafts-, Gewerbe-, Erbschafts- oder Schenkungssteuer) beginnt die Verjährung in aller Regel mit dem Erhalt des Steuerbescheids.
  • Hiervon zu unterscheiden ist die steuerrechtliche Verjährungsfrist (sog. Festsetzungsverjährungsfrist). Damit ist diejenige Zeitspanne gemeint, in der ein Steuerbescheid ergehen kann. Diese beträgt bei Steuerhinterziehung zehn und bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Da die Gesetze unterschiedliche Verjährungsfristen aufstellen, kann eine Steuerhinterziehung zwar im Sinne des Strafrechts verjährt sein. Nach den Regeln des Steuerrechts kann sie aber gleichwohl noch geahndet werden.

Dazu ein Beispiel: Eine acht Jahre zurückliegende Steuerhinterziehung ist aus strafrechtlicher Sicht verjährt – denn die strafrechtliche Verjährungsfrist von fünf Jahren ist dann abgelaufen. Dementsprechend scheidet eine Verurteilung zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung aus.

Die zehnjährige Festsetzungsverjährungsfrist ist hingegen noch nicht abgelaufen. Das Finanzamt kann somit die Steuerschuld weiterhin per Bescheid einfordern sowie die Zahlung von Hinterziehungszinsen verlangen.

8. Übersicht: Höhe der hinterzogenen Steuern und Folgen für die Strafe

Wie dargestellt entscheidet alleine die individuelle Schuld des Täters über die angemessene Strafe. Man kann keine Gleichung aufstellen, nach der eine bestimmte Höhe an hinterzogenen Steuern automatisch in eine bestimmte Geld- oder Freiheitsstrafe mündet.

Allerdings kann die Höhe der hinterzogenen Steuern ins Verhältnis zum möglichen Strafrahmen gesetzt werden. Ergänzt man dies mit den Erfahrungswerten aus der Strafverteidigung, so ergibt sich folgende Übersicht:

Höhe der hinterzogenen Steuer: Folgen für die Strafe:
Bis 50.000 Euro Es bleibt in aller Regel bei einer Geldstrafe. Die Möglichkeit eines Strafbefehls ist gegeben. Eine Freiheitsstrafe ist sehr unwahrscheinlich.
50.000 Euro bis 1.000.000 Euro Es ist von einer schweren Steuerhinterziehung auszugehen. Eine Freiheitsstrafe kommt in Betracht. Es besteht allerdings die Möglichkeit, diese zur
Bewährung auszusetzen. Auch die Möglichkeit eines Strafbefehls ist bis zu einem gewissen Grad gegeben.
Mehr als 1.000.000 Euro Es wird eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Es kommt zu einer öffentlichen Hauptverhandlung. Die Möglichkeit eines Strafbefehls scheidet aus.

 

Hinweis: Die Übersicht gilt nur als grober Indikator. Die konkreten Strafen können von Gericht zu Gericht unterschiedlich gehandhabt werden.

9. Fazit

  • Steuerhinterziehung ist eine Straftat, die mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden kann.
  • Der Strafrahmen beträgt bei der Steuerhinterziehung bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe und in besonders schweren Fällen sechs Monate bis 10 Jahre. Bloß eine Geldstrafe kommt in schweren Fällen nicht mehr in Betracht.
  • Von einer Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall ist vor allem dann auszugehen, wenn die Höhe der hinterzogenen Steuer den Betrag von 50.000,00 EUR übersteigt.
  • Neben dem Strafrahmen ist die Strafzumessung im Einzelfall entscheidend. Dabei wägt das Gericht sämtliche Umstände des Einzelfalls gegeneinander ab (z.B. Gründe und Ziele der Tat, Vorstrafen, Verhalten nach der Tat, berufliche Folgen).
  • Eine fehlgeschlagene Selbstanzeige kann strafmildernd berücksichtigt werden.

10. Häufige Fragen

Wo findet man eine Strafmaßtabelle für Steuerhinterziehung?

In dieser Form nirgendwo. Eine Strafe muss immer schuldangemessen verhängt werden. Eine Strafmaßtabelle läuft diesem Ansatz zuwider. Man kann nur die Höhe der hinterzogenen Steuern ins Verhältnis zum Strafrahmen setzen und durch Erfahrungswerte aus der Strafverteidigung ergänzen:

Bis 50.000 Euro bleibt es in aller Regel bei einer Geldstrafe. Die Möglichkeit eines Strafbefehls ist gegeben. Eine Freiheitsstrafe ist eher unwahrscheinlich.

Bei 50.000 Euro bis 1.000.000 Euro ist von einer schweren Steuerhinterziehung auszugehen. Eine Freiheitsstrafe kommt in Betracht. Es besteht allerdings die Möglichkeit, diese zur Bewährung auszusetzen. Auch die Möglichkeit eines Strafbefehls ist bis zu einem gewissen Grad gegeben.

Bei mehr als 1.000.000 Euro wird eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Es kommt zu einer öffentlichen Hauptverhandlung. Die Möglichkeit eines Strafbefehls scheidet aus. 

Wie hoch ist die Geldstrafe bei einer Steuerhinterziehung?

Das hängt von der Schwere der Schuld ab. Die Geldstrafe bei einer Steuerhinterziehung wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt allgemein mindestens 5 und höchstens 360 volle Tagessätze. Bei der Bildung einer Gesamtstrafe kann die Zahl der Tagessätze bis zu 720 betragen. Ein Tagessatz beträgt mindestens 1,00 EUR und höchstens 30.000,00 EUR. Die Höhe der Geldstrafe richtet sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters. Ausgangsgröße ist das Nettoeinkommen, das der Täter hat oder haben könnte.
Wann kann die Strafe wegen Steuerhinterziehung zur Bewährung ausgesetzt werden?

Das hängt von der Dauer der verhängen Freiheitsstrafe und der Frage ab, ob für den Täter eine günstige Kriminalprognose besteht. Diese Frage wird – im Rahmen einer Gesamtwürdigung – anhand des einzelnen Täters beurteilt. Dabei spielen folgende Kriterien eine Rolle:

  • die Persönlichkeit des Täters und sein Vorleben,
  • die Umstände der Tat,
  • das Verhalten nach der Tat,
  • die Wirkungen, die von der Aussetzung der Strafe zu erwarten sind.

 

Kann auch eine Geldstrafe wegen Steuerhinterziehung zur Bewährung ausgesetzt werden?

Nein, das ist nicht möglich.