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Untreue: Welche Strafe droht bei einer Anzeige?

Unternehmer und Führungskräfte sind immer häufiger dem Vorwurf der Untreue ausgesetzt. Wir erklären, wann man sich wirklich wegen Untreue strafbar macht, welche Konsequenzen drohen und welches Verhalten bei einem Ermittlungsverfahren das richtige ist.

1. Was ist Untreue?

Der Straftatbestand der Untreue ist in § 266 des Strafgesetzbuches (StGB) zu finden. Allgemein gesagt schädigt bei einer Untreue der Täter das Vermögen eines anderen, obwohl er dieses eigentlich betreuen sollte.

So viel vorab: Die Untreue gehört zu den kompliziertesten Tatbeständen im StGB. Bei weitem nicht jedes Verhalten, das landläufig als Untreue bezeichnet wird, ist tatsächlich als Untreue strafbar.

Nach § 266 StGB lässt sich die Untreue durch zwei verschiedene Varianten begehen:

1. entweder durch einen Verstoß gegen den Missbrauchstatbestand (Abs. 1 Alt. 1)

Beispiel: Der Täter hat eine Vollmacht erhalten und nutzt sie, um Vermögen vom Auftraggeber abzuschöpfen.

2. oder einen Verstoß gegen den Treuebruchstatbestand (Abs. 1 Alt. 2).

Beispiel: Der Täter tritt gar nicht erst nach außen auf, sondern bereichert sich direkt mit dem Vermögen, das er beim Inhaber vorfindet.

Für eine Strafbarkeit ist es ausreichend, wenn einer der beiden Tatbestände verwirklicht wird. Die genauen Unterschiede lassen sich nur am Einzelfall erklären und sind für den ersten Überblick nicht weiter relevant.

2. Wie kann man sich gegen Untreue verteidigen?

Besonders häufig scheitert der Vorwurf der Untreue an den folgenden Merkmalen:

Keine ausreichende Nähe zum Vermögen

Um den Missbrauchstatbestand zu verwirklichen, muss der Täter zunächst eine Verfügungsberechtigung über fremdes Vermögen besitzen. Völlig fremde Personen, die in keiner Beziehung zum Vermögen stehen, scheiden damit von vornherein aus.

Eine Vollmacht oder allein die Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen genügen jedoch nicht. Der Beschuldigte muss in einem besonders engen Verhältnis zum Vermögen stehen. Man spricht von der sog. Vermögensbetreuungspflicht. Die Betreuung des Vermögens muss gerade den Schwerpunkt der Tätigkeit bilden und der Beschuldigte muss dabei einen gewissen Freiraum haben.

Beispiele:

  • Grundsätzlich zu bejahen bei einem Vermögensverwalter, Aufsichtsrat, Geldtransporter, Gerichtsvollzieher ggü. Gläubiger, Geschäftsführer und Vorstand, Insolvenzverwalter.
  • Grundsätzlich zu verneinen bei einfachen Bankmitarbeitern (anders oft bei Führungskräften), Gesellschaftern einer GmbH, Vermieter hinsichtlich der Kaution, Buchhaltern, Leasingnehmern ggü. Leasinggebern.

Kein Vorsatz

Der Täter muss vorsätzlich gehandelt haben. Dafür genügt die Einsicht, dass es durch das eigene Verhalten zu einer Vermögensschädigung kommen kann. Wer allerdings die Sachlage verkennt und sich der Gefahr seines Handelns nicht bewusst ist, macht sich nicht strafbar. Fahrlässige Untreue gibt es nicht. Gerade in komplexen Wirtschaftssachverhalten ist oft davon auszugehen, dass der Beschuldigte sich der Folgen seines Handelns nicht bewusst war.

Kein Vermögensnachteil

Durch die Handlung des Täters muss es letztlich zu einem Vermögensnachteil beim Opfer gekommen sein. Einfach gesprochen muss das Opfer wirtschaftlich schlechter dastehen als zuvor. Zwar kommt die Untreue auch in Betracht, wenn etwa eine Geschäftschance vereitelt wurde. Davon ist aber nur auszugehen, wenn dieser Vermögenszuwachs nahezu sicher war. Dieser Beweis gelingt der Staatsanwaltschaft allerdings meist nicht.

Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es sogar aus, wenn das Vermögen gar nicht tatsächlich geschädigt, sondern nur gefährdet wurde. Diesen Vorwurf muss die Staatsanwaltschaft allerdings aufwändig belegen. Denn die Gerichte verlangen, dass die Gefährdung so groß war, dass wirtschaftlich quasi ein Schaden entstanden ist. Das ist nur selten der Fall.

Beispiel: Der Beschuldigte verwendet ihm anvertrautes Vermögen eines Kunden, um damit private Kredite abzusichern. War die Inanspruchnahme der Sicherheit unwahrscheinlich, ist grundsätzlich kein Vermögensschaden anzunehmen.

Inhaber war einverstanden

In vielen Fällen scheidet eine Strafbarkeit wegen Untreue aus, weil der Vermögensinhaber (z.B. der Geschäftsführer des Unternehmens) mit dem Vorgehen einverstanden war.

Hier ist allerdings Vorsicht geboten: Verstößt wiederum das Einverständnis des Vermögensinhabers bzw. dessen Vertreters gegen ein Verbot, kann das Einverständnis unwirksam sein. Dann kommt allerdings noch in Betracht, dass der Beschuldigte irrtümlich von einem wirksamen Einverständnis ausgeht. Mangels Vorsatz oder Schuld macht er sich dann nicht wegen Untreue strafbar.

Beispiel: Prokurist P trifft regelmäßig nach eigenem Ermessen Vermögensentscheidungen für die GmbH. Die Gesellschafter weisen ihn eines Tages an, eine Abfindung an einen der Gesellschafter zu zahlen. P weiß nicht, dass diese Zahlung die Liquidität der GmbH erheblich gefährdet und überweist den Betrag.

Das Einverständnis der Gesellschafter ist unwirksam. Der Prokurist wird sich gegen den Vorwurf der Untreue aber verteidigen können.

3. „Klassiker“ im Bereich der Untreue

Bestimmte Fallkonstellationen tauchen im Bereich der Untreue immer wieder auf. Wir erläutern, wie sie die Gerichte entscheiden.

Schwarze Kassen

Hier werden Gelder eines Unternehmens unter Ausschluss der offiziellen Buchführung auf externen Konten gelagert und dann bspw. für Schmiergeldzahlungen an Dritte genutzt. Wer als Angestellter eine schwarze Kasse unterhält, verstößt damit in der Regel gegen die Compliance-Regeln des Unternehmens und verletzt seine Vermögensbetreuungspflicht. Auch stellt lt. BGH schon die reine Einrichtung einer schwarzen Kasse einen Vermögensnachteil dar, weil das Vermögen des Unternehmens dadurch gefährdet wird. Trotzdem bestehen für Angestellte oft gute Verteidigungschancen, weil ihnen unter Umständen der Vorsatz fehlt.

Haushaltsuntreue

Vergibt eine Gemeinde Aufträge an Unternehmen (z.B. Bauaufträge), muss sie sich hierbei an die Regeln des Vergaberechts halten und den Auftrag an das Unternehmen mit dem wirtschaftlichsten Angebot vergeben. Ignoriert ein Bürgermeister dies, können er und andere Beteiligte sich wegen Untreue strafbar machen. Nach dem BGH muss dafür aber ein evidenter, schwerwiegender Verstoß gegen die Vermögensbetreuungspflicht vorliegen, was oftmals nicht der Fall ist.

Kreditvergabe durch Bankmitarbeiter

Auch ein Bankmitarbeiter hat unter Umständen die Pflicht, das Vermögen seiner Bank zu betreuen. Desto höher der Mitarbeiter in der Hierarchie steht, desto eher trifft ihn diese Pflicht. So kann ein solcher Mitarbeiter den Tatbestand der Untreue erfüllen, indem er entgegen den Richtlinien seiner Bank Kredite an Personen vergibt, die gar keine Kredite erhalten dürften. Die Bank wird nämlich in der Regel an diese Kreditvergabe gebunden. Beim Fall der Kreditvergabe ist strafrechtlich aber vieles umstritten, was wiederum Verteidigungschancen bietet.

Mietkaution

Ein Vermieter hat die Pflicht, die Kaution des Mieters auf einem speziellen Konto anzulegen und während des Mietverhältnisses nicht mehr anzurühren. Legt der Vermieter die Kaution des Mieters rechtswidrig an, kann er sich wegen Untreue strafbar machen. Allerdings stellt sich hier stets die Frage, ob ein Schaden entstanden ist. Außerdem ist nicht immer von einer Vermögensbetreuungspflicht auszugehen.

Veruntreuung von Firmengeldern durch den GmbH-Geschäftsführer

Kaum ein Organ ist so umfassend bevollmächtigt wie der Geschäftsführer einer GmbH. Dies reicht so weit, dass Geschäftsführer gelegentlich private Angelegenheiten auf Kosten der GmbH abwickeln. Damit erfüllt der GmbH-Geschäftsführer oft den Tatbestand der Untreue. Zwar kann die Gesellschafterversammlung eigentlich pflichtwidrige Maßnahmen billigen und die Strafbarkeit somit ausschließen. Allerdings geht dies nur im Vorhinein und in gewissen inhaltlichen Grenzen.

Verstößt der Gesellschafterbeschluss selbst gegen zwingendes Recht, ist er unwirksam und der Geschäftsführer bleibt strafbar. Diese Grenze gilt insbesondere auch für sog. Ein-Mann-GmbHs, in denen der einzige Gesellschafter zugleich alleiniger Geschäftsführer ist.

4. Welche Strafen drohen bei Untreue?

Wer wegen Untreue verurteilt wird, muss mit einer Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe rechnen. Die Freiheitstrafe kann bis zu fünf Jahre betragen. Dazu kommt es – bei guter Verteidigung – allerdings selten. Stellt das Gericht einen besonders schweren Fall der Untreue fest, ist die Freiheitstrafe mindestens sechs Monate lang und kann schlimmstenfalls bis zu zehn Jahre betragen. Ein besonders schwerer Fall wird unter anderem bei einem besonders großen Vermögensschaden angenommen (Richtwert: 50.000 €).

Die Höhe der Strafe hängt von zahlreichen Umständen ab. Unter anderem ist auch die Kooperationsbereitschaft und das gesamte Nachtatverhalten ausschlaggebend. Bei geschickter Verteidigung lässt sich daher oft eine Geld- oder Bewährungsstrafe erreichen.

Wer zur Begehung der Untreue seinen Beruf ausgenutzt hat, kann außerdem vom Richter ein Berufsverbot (§ 70 StGB) oder eine Geschäftsführersperre (§ 6 Abs. 3 GmbHG) auferlegt bekommen.

Gerade kleinere Verfahren werden oft per Strafbefehl beendet oder gegen Auflagen eingestellt. Besprechen Sie unbedingt mit einem erfahrenen Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht, ob Sie das hinnehmen sollten. Unter Umständen lässt sich ein Freispruch erreichen.

5. Wann verjährt Untreue?

Die Verjährungsfrist für Untreue beträgt nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit – gerechnet ab dem Ende der Tat – sind Ermittlungsverfahren und auch Verurteilungen wegen der Tat nicht mehr möglich.

Doch Achtung: Die Frist von fünf Jahren kann unterbrochen werden, z.B. dadurch, dass Sie erstmals als Beschuldigter vernommen werden (vgl. § 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB).

6. Richtiges Verhalten bei einem Ermittlungsverfahren wegen Untreue

Dass Sie von einem Ermittlungsverfahren betroffen sind, erfahren Sie in der Regel durch eine Vorladung bei der Polizei oder auch durch eine Hausdurchsuchung.

  • Einer Vorladung zur Polizei müssen Sie nicht nachkommen. Auch sind Sie nicht verpflichtet, zur Sache auszusagen. Kontaktieren Sie in jedem Fall unverzüglich einen auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Anwalt. Er wird Sie beraten und das weitere Vorgehen mit Ihnen absprechen.
    Gerade bei Untreuevorwürfen werden die Ermittlungen oft nicht von „normalen“ Staatsanwaltschaften, sondern von erfahrenen Spezialdezernaten geleitet. Auch Sie sollten zu Ihrer Verteidigung daher auf einen hochspezialisierten Strafverteidiger setzen.
  • In jedem Fall gilt: Schweigen Sie, bis Sie mit Ihrem Rechtsanwalt gesprochen haben!
  • Auch im Fall einer Hausdurchsuchung sollten Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen und schnellstmöglich einen Verteidiger kontaktieren. Lassen Sie sich nicht in „lockere“ Gespräche verwickeln.

7. Fazit

  • Der Untreue macht sich strafbar, wer fremdes Vermögen schädigt.
  • Der Straftatbestand der Untreue ist äußerst kompliziert und bietet zahlreiche Verteidigungsansätze.
  • Die Freiheitsstrafe für Untreue kann bis zu fünf Jahre, bei einem besonders schweren Fall sogar bis zu zehn Jahre betragen.
  • Untreue verjährt nach fünf Jahren.
  • Wer sich des Vorwurfs der Untreue ausgesetzt sieht, sollte von seinem Schweigerecht Gebrauch machen und unverzüglich einen Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht kontaktieren.

8. Häufige Fragen

Wann begehe ich eine Untreue nach § 266 StGB?
Welche Strafe droht mir bei Untreue?
Was soll ich tun, wenn gegen mich wegen Untreue ermittelt wird?