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Sozialversicherungsbeiträge: Haftung des GmbH-Geschäftsführers

Das deutsche Sozialversicherungssystem ist auf die korrekte Abführung der Sozialversicherungsbeiträge angewiesen. Fehler bei der Abführung werden daher streng verfolgt. In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen, ob und wann Sie als GmbH-Geschäftsführer für Sozialversicherungsbeiträge persönlich haften.

1. Um welche Sozialversicherungsbeiträge geht es?

Mit Sozialversicherungsbeiträgen sind die Beiträge zu den fünf gesetzlichen Versicherungen gemeint:

  • Krankenversicherung
  • Pflegeversicherung
  • Rentenversicherung
  • Arbeitslosenversicherung
  • Unfallversicherung

Diese Beiträge werden grundsätzlich zur Hälfte vom Arbeitnehmer und zur Hälfte vom Arbeitgeber getragen. Nur die Beiträge zur Unfallversicherung obliegen vollständig dem Arbeitgeber.

Die Abführung der Beiträge erfolgt jedoch stets allein durch den Arbeitgeber. Das gilt auch für den Arbeitnehmeranteil. Im Ergebnis wird dieser Arbeitnehmerbeitrag vom Bruttolohn abgezogen.

Dementsprechend trifft auch den Arbeitgeber die Pflicht zur ordnungsgemäßen Abführung der Sozialversicherungsbeiträge. Dies erfolgt durch fristgerechte Zahlung an die Einzugsstellen der Sozialversicherung. Das gilt sogar dann, wenn Löhne und Gehälter gar nicht mehr gezahlt werden können.

2. Welche Rolle spielt der Geschäftsführer?

In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist die Gesellschaft Arbeitgeberin und damit zur ordnungsgemäßen Abführung der Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet. Für diese Beiträge haftet die GmbH mit ihrem Gesellschaftsvermögen.

Als Geschäftsführer einer GmbH haben Sie die Aufgabe, für die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsabgaben zu sorgen. Denn Sie sind das vertretungsberechtigte Organ der Gesellschaft.

Kommen Sie dieser Pflicht nicht nach, kann Ihnen eine zivilrechtliche Haftung und sogar eine strafrechtliche Verfolgung drohen. Sie haften hierbei sogar persönlich mit Ihrem Privatvermögen.

3. Wann haftet der Geschäftsführer zivilrechtlich?

Ob Sie zivilrechtlich mit Ihrem Privatvermögen in Anspruch genommen werden können, richtet sich nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB.

Die Haftung hat unterschiedliche Voraussetzungen, je nachdem ob Sie den Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberanteil nicht abführen.

Arbeitnehmeranteil nicht gezahlt

Hier ist Vorsicht geboten, denn Sie können als Geschäftsführer schnell haftbar gemacht werden. Sie werden bereits dann zur Kasse gebeten, wenn Sie den Arbeitnehmeranteil nicht bei Fälligkeit abgeführt haben. Regelmäßig ist der drittletzte Bankarbeitstag des Monats maßgeblich.

Haben Sie bis zu diesem Tag den Arbeitnehmeranteil nicht abgeführt, drohen Konsequenzen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Gehalt erhalten hat.

Ist die Gesellschaft nicht zahlungsfähig, droht Ihnen aber regelmäßig keine persönliche Haftung. Sie sind dann allerdings in aller Regel verpflichtet, schnellstmöglich einen Insolvenzantrag zu stellen.

Die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge gehört zu den wichtigsten Zahlungspflichten. Diese sollte also grundsätzlich mit erhöhter Priorität behandelt und vor anderen Zahlungen durchgeführt werden.

Haben Sie die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft selbst pflichtwidrig herbeigeführt, bleibt Ihre persönliche Haftung im Übrigen bestehen.

Arbeitgeberanteil nicht gezahlt

Leistet die GmbH den Arbeitgeberanteil nicht, droht eine persönliche Haftung nur bei schwereren Verstößen:

  • Sie haben gegenüber der zuständigen Stelle unrichtige oder unvollständige Angaben über erhebliche Tatsachen gemacht oder
  • Sie haben die zuständige Stelle pflichtwidrig über solche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und
  • dadurch dieser Stelle den Arbeitgeberbeitrag vorenthalten.

Zuständige Stelle ist der für Sie zuständige Sozialversicherungsträger. Entscheidend ist also, ob Sie diesen getäuscht haben.

Vorsatz

Eine Haftung droht Ihnen außerdem nur dann, wenn Sie die Beiträge vorsätzlich vorenthalten oder nicht abgeführt haben.

Wurden die Sozialversicherungsbeiträge nur versehentlich nicht abgeführt, müssen Sie in der Regel keine persönliche Haftung fürchten.
Beispiel: Geschäftsführer A ist für Finanzangelegenheiten zuständig. Wegen einer Umstellung des Systems werden versehentlich einzelne Mitarbeiterdaten gelöscht. Dadurch führt die Gesellschaft mehrere Monate für 30 % der Arbeitnehmer keine Beiträge ab. Der Fehler ist erst auf Hinweis der Zahlstelle bemerkt worden. A handelte hierbei nicht vorsätzlich und kann deshalb nicht persönlich haftbar gemacht werden. Zahlt A die Beiträge auch nach Entdecken des Fehlers nicht, haftet er hingegen persönlich.

4. Drohen strafrechtliche Konsequenzen?

Bei Vorliegen der beschriebenen Voraussetzungen können Verstöße gegen die Beitragspflicht sogar strafrechtlich verfolgt werden (§ 266a StGB). Es handelt sich um eine der meistverfolgten Wirtschaftsstraftaten in Deutschland. Aber auch hier können Sie aber nur für vorsätzliches Handeln belangt werden.

Die strafrechtlichen Konsequenzen treffen den Geschäftsführer der GmbH selbst. Es droht eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen (z.B. bei Verwendung gefälschter Belege) kann Ihnen sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bevorstehen.

Sie können aber eine Strafe vermeiden, wenn Sie sich nach der Tat richtig verhalten (§ 266a Abs. 6 StGB):

  • Sie teilen der Einzugsstelle schriftlich spätestens zum Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mit und legen dar, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl Sie sich ernsthaft darum bemüht haben.
  • Anschließend zahlen Sie die Beiträge nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten Frist.

Steht eine Strafbarkeit im Raum, ist es unbedingt erforderlich, dass Sie korrekt und umsichtig agieren. Sie sollten daher zeitnah einen Anwalt aufsuchen. Wir helfen Ihnen gerne dabei, diesen Anforderungen zu genügen.

5. Was gilt, wenn jemand anderes im Unternehmen zuständig ist?

Häufig wird der Geschäftsführer die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nicht selbst vornehmen. Das gilt vor allem in größeren Unternehmen. Dadurch kann er sich aber nicht immer von seiner Haftung befreien, denn grundsätzlich trifft die Pflicht die Gesellschaft und somit ihren Geschäftsführer.

Delegieren Sie Ihre Verpflichtung, wandelt sich diese in eine sog. Organisations- und Überwachungspflicht um: Sie müssen die Aufgabe einem ordentlich und gewissenhaft handelnden Mitarbeiter übertragen und diesen fortlaufend kontrollieren und überwachen. Das gilt insbesondere, wenn Sie dafür einen Anlass sehen, z.B. weil Ihnen Ungereimtheiten aufgefallen sind.

Bei einer Verletzung dieser Pflicht haften Sie auch dann, wenn Sie nicht selbst für die Abführung der Beiträge zuständig sind.

6. Haftung von Geschäftsführern bei Scheinselbstständigkeit

In der Praxis stellt insbesondere die fehlerhafte Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status eines Beschäftigten ein Risiko dar, denn bei einer falschen Einstufung haben Sie in der Regel auch die erforderlichen Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt. Ihnen droht dann die Haftung, wenn Ihnen vorsätzliches Handeln vorgeworfen werden kann.

Sie sollten daher stets prüfen, ob Indizien für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und damit eine Sozialversicherungspflicht vorliegen:

  • Ist der Beschäftigte weisungsgebunden?
  • Erfolgt eine Eingliederung in fremde betriebliche Strukturen (z.B. Bindung an Qualitätssicherungs- und Kontrollmechanismen)?

Eine selbstständige und somit versicherungsfreie Tätigkeit liegt hingegen nahe, wenn diese Kriterien vorliegen:

  • Werbendes Auftreten am Markt
  • Eigenes Unternehmerrisiko, keine Bindung an Weisungen
  • Eigene Betriebsstätte und eigenes Personal
  • Freie Einteilung und Steuerung der eigenen Arbeitskraft

Eine Beurteilung kann stets nur im Einzelfall erfolgen. Hierzu muss der zugrundeliegende Vertrag geprüft werden und wie dieser tatsächlich „gelebt“ wird. Diese Beurteilung ist oft schwierig. In diesem Bereich kann ein vorsätzliches Handeln daher häufig widerlegt werden.

7. D&O-Versicherung zahlt oft nicht

Häufig besteht für Geschäftsführer eine sog. D&O-Versicherung, um sie gegen eine persönliche Inanspruchnahme finanziell abzusichern. Allerdings decken die meisten Versicherungen Vorsatztaten nicht ab. Handeln Sie also wissentlich und nehmen den Verstoß billigend in Kauf, bleiben Sie meist auf Ihren Kosten sitzen.

Dies hängt aber stets von Ihren individuellen Versicherungsbedingungen ab. Diese können wir für Sie prüfen.

8. Wann verjährt die Haftung des Geschäftsführers für Sozialbeiträge?

Grundsätzlich müssen offene Beiträge vergangener Jahre zurückgezahlt werden. Nach einigen Jahren tritt aber Verjährung ein. Dann kann die zuständige Stelle von Ihnen keine Nachzahlung mehr fordern.

Zivilrechtlich verjährt der  Anspruch der Sozialkassen gegen den Geschäftsführer bereits drei Jahre, nachdem der Sozialversicherungsträger Kenntnis von den Zahlungsrückständen erlangt hat. Die Frist beginnt allerdings erst am Jahresende.

Beispiel: Geschäftsführer G hat Sozialversicherungsbeiträge im Mai 2018 einbehalten. Der Sozialversicherungsträger S fordert ihn im November 2021 zur Zahlung auf. Der Anspruch wurde rechtzeitigt geltend gemacht, weil die Verjährungsfrist erst am 31.12.2018 zu laufen beginnt. Verjährung wäre also erst am 31.12.2021 eingetreten.

Erfährt der Sozialversicherungsträger nichts von den Zahlungsrückständen, verjährt der Anspruch nach zehn Jahren.

Diese Verjährungsfristen betreffen allerdings allein den Anspruch gegen den Geschäftsführer. Die Gesellschaft selbst bleibt mitunter länger zur Zahlung der Beiträge verpflichtet. Grundsätzlich gilt gem. § 25 Abs. 1 SGB IV eine vierjährige Verjährungsfrist. Wurden die Beiträge vorsätzlich nicht entrichtet, kann die Sozialkasse sogar bis zu 30 Jahre lang noch Zahlung verlangen. Beide Fristen beginnen mit Ende des Jahres, in dem die Beiträge fällig wurden.

Strafrechtlich gilt jedoch eine andere Frist. Der Sozialversicherungsträger kann also meist auch noch zu einem späteren Zeitpunkt Anzeige stellen. Die Verjährung der Straftat ist grundsätzlich erst fünf Jahre nach Beendigung der Tat zu erwarten. Liegt ein besonders schwerer Fall vor, sogar erst nach zehn Jahren.

Dieser Zeitraum kann sogar noch länger ausfallen. Dies liegt daran, dass die Rechtsprechung die „Beendigung der Tat“ in einigen Fällen erst zu einem späten Zeitpunkt annimmt. Hier haben sich insbesondere folgende Fallgruppen gebildet:

  1. Erlöschen der Beitragspflicht (z.B. Insolvenz der Gesellschaft, Auflösung und Beendigung der Gesellschaft)
  2. Verjährung der Beitragspflicht (drei Jahre zum Ablauf des Kalenderjahres)
  3. Ausscheiden des Gesellschafters aus der GmbH

Liegt ein solches Ereignis vor, beginnt ab diesem Zeitpunkt die fünf- bzw. zehnjährige Verjährungsfrist zu laufen.

9. Fazit

  • Die GmbH muss als Arbeitgeberin Sozialversicherungsbeiträge abführen. Diese Beiträge werden je hälftig von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen (Ausnahme: Unfallversicherung).
  • Die Abführung der Beiträge obliegt vollständig dem Arbeitgeber. Im Falle der GmbH ist der Geschäftsführer zuständig.
  • Bei vorsätzlichem Handeln kann der Geschäftsführer für fehlende Sozialversicherungsabgaben zivil- und strafrechtlich haftbar gemacht werden.
  • Eine Haftung droht bei Arbeitnehmerbeiträgen schon bei verspäteter Zahlung. Bei den Arbeitgeberbeiträgen bedarf es zusätzlich einer Täuschung der Einzugsstelle.
  • Scheinselbstständigkeit ist ein häufiger Grund für fehlende Sozialversicherungsabgaben.
  • Eine D&O-Versicherung steht meist nicht für vorsätzliches Handeln ein.

10. FAQ

Wer ist für die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zuständig?
Kann sich der Geschäftsführer strafbar machen?
Haftet der Geschäftsführer mit seinem Privatvermögen?