Wie die Deutsche Rentenversicherung die freie Mitarbeit nahezu unmöglich macht
Angesichts der derzeitigen Entscheidungspraxis der Deutschen Rentenversicherung (DRV) sind die Tage der freien Mitarbeit gezählt. Obwohl der Freelancer durch seine Freiheit und geringe Bindung den Zahn der Zeit trifft, könnte er schon bald der Vergangenheit angehören.
Immer mehr Freelancer gelten als scheinselbständig
Die DRV stuft immer mehr Freelancer als scheinselbständig ein.
<blockquote class="quote-icon achtung">Als scheinselbständig gilt eine Person dann, wenn sie nach außen hin als selbständig auftritt, obwohl ihre Tätigkeit in Wahrheit als abhängige Beschäftigung gilt. Der Scheinselbständige übt somit de facto eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus, wobei er sich durch den Schein der Selbständigkeit einer entsprechenden Versicherungspflicht entzieht.</blockquote>
Im Rahmen der statusrechtlichen Prüfung stellt die DRV ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 Abs. 1 des vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) fest, da sie die der Beschäftigung gegenüberstehende selbständige Tätigkeit zunehmend enger auslegt.
Während das Rentenpaket II in aller Munde ist, führt dieser Kurswechsel der DRV in der statusrechtlichen Beurteilung ein Schattendasein. Die Bedeutung der statusrechtlichen Beurteilung durch die DRV ist wohl nur denjenigen schmerzlich bewusst, die eine sozialversicherungsrechtliche Prüfung der DRV zuletzt durchlaufen haben.
Ablauf einer statusrechtlichen Prüfung durch die DRV
Um etwas Licht ins Dunkle zu bringen, werden zunächst die Grundzüge der statusrechtlichen Prüfung dargestellt:
Immer häufiger wird durch einen Antrag des Freelancers selbst oder seines Auftraggebers ein Statusfeststellungsverfahren bzw. Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV bei der der DRV eingeleitet.
<blockquote class="quote-icon info">Die sog. Clearingstelle der DRV prüft dann, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt.</blockquote>
Vielfach erfolgt die statusrechtliche Prüfung aber auch im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV. Die Betriebsprüfung schließt nämlich die Überprüfung der durch den Auftraggeber vorgenommenen sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung ein und erfolgt in der Regel in einem Turnus von vier Jahren (§ 28p Abs. 1 SGB IV).
Die DRV prüft dann regelmäßig anhand der Antworten des freien Mitarbeiters und seines Auftraggebers auf den von ihr gestellten Fragenkatalog sowie anhand des dem Auftragsverhältnis zugrundeliegenden Vertrages und etwaiger Rechnungen, ob die Tätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit einzustufen ist. Entscheidend ist dabei das Gesamtbild der Tätigkeit, wobei die tatsächlichen Gegebenheiten die vertraglichen Absprachen überwiegen.
Eine mündliche Anhörung der Betroffenen findet dabei in aller Regel nicht statt. Vielmehr wird den Betroffenen im Anhörungsverfahren regelmäßig nur die Möglichkeit gegeben, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Mehr verlangt das Gesetz (leider) auch nicht (§ 7a Abs. 4 S. 1 SGB IV).
Anschließend ergeht dann ein Bescheid:
<blockquote class="quote-icon info">In diesem Bescheid kommt die DRV immer öfter zu dem Ergebnis, dass die Vertragsparteien – also der Freelancer und sein Auftraggeber – das zwischen diesen bestehende Vertragsverhältnis fälschlicherweise als Freie Mitarbeit beurteilt haben, und stellt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis fest. Die Begründung deckt sich regelmäßig mit der aus dem Anhörungsschreiben.</blockquote>
Übermäßige Betonung des Unternehmerrisikos bei einer selbständigen Tätigkeit
Zudem lassen die derzeitigen Begründungen vermuten, dass die DRV nunmehr besonderen Wert auf das Vorliegen eines Unternehmerrisikos bei einer selbständigen Tätigkeit legt. Dies mag zu Recht verwundern, wenn man bedenkt, dass auch Dienstleistungen im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden können. Dienstleistungen gehen nämlich naturgemäß gerade nicht mit großen unternehmerischen Investitionen einher. Zudem nennt das Gesetz nur die Merkmale der Weisungsgebundenheit und Eingliederung (vgl. § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV), sodass die übermäßige Betonung des Unternehmerrisikos auch keine Stütze im Gesetz findet.
<blockquote class="quote-icon achtung">Für die Freelancer, welche in aller Regel Dienstleistungen erbringen, hat die Betonung des Unternehmerrisikos zur Folge, dass sie immer öfter als abhängig Beschäftigte eingestuft werden.</blockquote>
Gefahren und Konsequenzen der Feststellung einer Beschäftigung
Das Problem an dieser statusrechtlichen Beurteilung ist, dass dann zugleich die Sozialversicherungspflicht festgestellt wird. Vor allem für den Auftraggeber birgt das die Gefahr erheblicher finanzieller Belastungen und strafrechtlicher Konsequenzen:
Insbesondere schuldet der vermeintliche Auftraggeber die Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge – einschließlich der Anteile, die eigentlich vom Arbeitnehmer zu tragen gewesen wären (§ 28e Abs. 1 SGB IV). Diese Nachforderungen können erhebliche Summen erreichen, insbesondere da in der Regel Säumniszuschläge hinzukommen. Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich vier Jahre, kann bei Vorsatz jedoch auf bis zu 30 Jahre verlängert werden.
Darüber hinaus stellt das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266a StGB eine Straftat dar und kann mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet werden. Bei besonders schweren Fällen drohen sogar bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.
Zudem hat die Entscheidung auch arbeitsrechtliche Konsequenzen: Der betroffene Freelancer gilt nun als regulärer Arbeitnehmer und unterliegt dem vollen Arbeitnehmerschutz. Dazu zählen Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mindesturlaub und insbesondere der Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber hat nur unter bestimmten Umständen das Recht, bereits gezahlte Honorare zurückzufordern.
Neben den sozialversicherungs-, straf- und arbeitsrechtlichen Folgen haftet der Auftraggeber gemäß § 42 d EStG auch für nicht abgeführte Lohnsteuer, wenn sich ein freier Mitarbeiter im Nachhinein als Arbeitnehmer erweist. Um eine Haftung zu vermeiden, können in Zweifelsfällen vorab Auskünfte vom Finanzamt eingeholt werden. Werden diese Auskünfte beachtet, gilt die Lohnsteuer nicht als falsch einbehalten. Außerdem kann der Auftraggeber eine haftungsbefreiende Anzeige erstatten, wenn er feststellt, dass die Lohnsteuer bisher falsch einbehalten wurde.
Widerspruch und Klage als letzte Hoffnung
<blockquote class="quote-icon achtung">Ein Widerspruch oder eine Klage haben vielfach keine aufschiebende Wirkung!</blockquote>
Nach Feststellung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bleibt den Betroffenen nur noch das Widerspruchs- und Klageverfahren mit unklaren Erfolgsaussichten. Zudem haben sowohl Widerspruch als auch Anfechtungsklage häufig keine aufschiebende Wirkung, sodass die rückständigen Beiträge samt satter Säumniszuschläge sofort zu zahlen sind.
Fragen und Antworten
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