Artikel bewerten

Geschäftsgeheimnisse und Geheimhaltungsmaßnahmen: Ohne Schutz kein Schadenersatz?

Der gesetzliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen und geschäftliches Know-how wird voraussichtlich in absehbarer Zeit verstärkt. Beim Bundestag liegt der Entwurf zum „Geschäftsgeheimnisgesetz“ oder kurz GeschGehG. Damit soll eine EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in deutsches Recht umgesetzt werden. Der aktuelle Gesetzentwurf geht in einigen Punkten über sie hinaus. Da die Gesetzgebung wieder einmal zu spät dran […]

Der gesetzliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen und geschäftliches Know-how wird voraussichtlich in absehbarer Zeit verstärkt. Beim Bundestag liegt der Entwurf zum „Geschäftsgeheimnisgesetz“ oder kurz GeschGehG.

Damit soll eine EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in deutsches Recht umgesetzt werden. Der aktuelle Gesetzentwurf geht in einigen Punkten über sie hinaus. Da die Gesetzgebung wieder einmal zu spät dran ist (eigentlich hätte das neue Gesetz schon bis Juni 2018 in Kraft sein müssen), ist die EU-Richtlinie unmittelbar anwendbar.

Geschäftsgeheimnisgesetz – das Wichtigste in Kürze:

  • Das Geschäftsgeheimnisgesetz ist noch nicht in Kraft. Der Entwurf kann vom Bundestag noch geändert werden. Der Rahmen ist durch eine EU-Richtlinie vorgegeben.
  •  Der Gesetzentwurf stellt Informationen und Know-how von Unternehmen unter Schutz – aber nur, wenn sie wirtschaftlichen Wert besitzen, tatsächlich geheim sind und wenn zur Geheimhaltung Schutzmaßnahmen getroffen wurden.
  • Informationen, die nicht unter die gesetzliche Definition fallen, sind keine Geschäftsgeheimnisse und dürfen verwendet werden.
  • Unter bestimmten Umständen entfällt auch bei Geschäftsgeheimnissen der Schutz – etwa bei einem Whistleblower.
  • Ansonsten berechtigt die unerlaubte Nutzung oder Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen zu Schadenersatz und kann zu einem Strafverfahren führen.

Was zählt als Geschäftsgeheimnis?

Der Entwurf definiert ein Geschäftsgeheimnis als eine Information, die

  1. Branchenkennern und Insidern typischerweise nicht bekannt ist,
  2. wirtschaftlichen Wert besitzt und
  3. vom „Inhaber“ des Geschäftsgeheimnisses mit angemessenem Aufwand geheim gehalten wird.

Wichtig: Sind diese drei Bedingungen nicht sämtlich erfüllt, stellen die Informationen kein Geschäftsgeheimnis dar und dürfen grundsätzlich frei verwendet und genutzt werden. (Natürlich können sie auch durch andere Gesetze oder Verträge geschützt sein, etwa durch Urheberrecht oder eine Vertraulichkeitsvereinbarung.)

Praktisch gesehen kann es sich bei einem Geschäftsgeheimnis im Sinne des Gesetzentwurfs um geschäftlich verwertbare Informationen aller Art handeln – vom Wissen über Herstellungsverfahren, Produktpläne, Rezepte, Methoden und Formeln über Kundenadressen und Bezugsquellen bis hin zu von Beratern erstellten Marktanalysen, ausgearbeiteten Geschäftskonzepten oder Kostenkalkulationen.

Ob eine bestimmte Information als Geschäftsgeheimnis geschützt ist, sollten Sie gemeinsam mit dem Anwalt klären.

Was ist erlaubt und was ist verboten?

Geschäftliches Know-how oder andre Informationen müssen also Geschäftsgeheimnisse (nach Definition des Gesetzentwurfs) sein, damit sie geschützt sind. Und auch dann gibt es Ausnahmen, etwa für Reverse Engineering oder für Whistleblower – dazu gleich mehr.

Ansonsten ist es jedoch verboten, ein solches Geschäftsgeheimnis …

  • zu „erlangen“, indem man sich beispielsweise unbefugt Zugang zu Produktprototypen verschafft, Software oder Dokumente unbefugt kopiert und dergleichen mehr.
  • beispielsweise ohne Berechtigung Dokumente oder Dateien mit den Informationen verschafft, aber auch das Produkt oder Material selbst, aus dem das Know-how hervorgeht
  • zu nutzen oder offenzulegen, ohne die Berechtigung dazu zu haben: das wäre der Fall, wenn man auf Basis des Geschäftsgeheimnisses eigene Produkte auf den Markt bringt, die Informationen weiterverkauft oder sie veröffentlicht.
  • von jemandem zu besorgen, der beispielsweise als Arbeitnehmer Zugang zum Geschäftsgeheimnis hat und bereit es, es unter der Hand weiterzugeben.

Sind Ihre Arbeits-, Liefer-, Service- und Projektverträge so formuliert, dass diese Verbotstatbestände greifen?

„Reverse Engineering“ ist grundsätzlich legal

In bestimmten Fällen ist es ausdrücklich erlaubt, sich Wissen zu verschaffen, das ein Geschäftsgeheimnis darstellt – etwa dann, wenn jemand durch eigenes Beobachten oder Experimentieren zufällig auf dieselbe Lösung oder Methode kommt (§ 2 GeschGehG-E).

Außerdem erlaubt ist auch, der Programmier- oder Fertigungsweise fremder Software oder Produkte durch „Zurückbauen“ auf die Spur zu kommen: Das sogenannte Reverse Engineering ist zulässig, solange derjenige, der es durchführt, keiner „Pflicht zur Beschränkung der Erlangung des Geschäftsgeheimnisses unterliegt“. Beschränkungen setzen vor allem die Bestimmungen gegen unlauteren Wettbewerb, der Schutz geistigen Eigentums (wie Urheberrecht) sowie individuelle Vereinbarungen wie NDA-Klauseln.

Wer sein Produkt oder seine Software Dritten zur Verfügung stellt, sollte Reverse Engineering durch eine Vereinbarung wirksam verbieten.

Ausnahmen zum „Schutz eines berechtigten Interesses“

Geschäftsgeheimnisse dürfen außerdem dann beschafft, genutzt oder publiziert werden, wenn dies einem berechtigten Interesse dient (§ 3 GeschGehG-Entwurf).

So darf geschäftliches Know-how gegenüber dem Betriebsrat offengelegt werden, wenn ein Arbeitnehmer sich mit berechtigtem Interesse an die Arbeitnehmervertreter wendet. Ein weiteres berechtigtes Interesse, das die Aufdeckung von Geschäftsgeheimnissen rechtfertigen kann, ist das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Schließlich gibt es eine weitere, auf Whistleblower gemünzte Regelung: § 3 Nr. 2 GeschGehG-E gestattet die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen, wenn dadurch im öffentlichen Interesse rechtswidrige Handlungen oder Fehlverhalten aufgedeckt werden.

Wenn Whistleblower bei berechtigten Anliegen Geschäftsgeheimnisse aufdecken, sind sie nicht zu Schadenersatz verpflichtet.

Keine „Geheimhaltungsmaßnahmen“, kein Geschäftsgeheimnis

Der Gesetzentwurf fordert, dass Unternehmen ihrem Interesse an der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen Taten folgen lassen. Wer sein geschäftlichen Wissens nicht durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen schützt, kann später keinen Schadenersatz fordern, falls Wettbewerber sich die Informationen verschaffen.

Das ist neu. Nach den bisher noch geltenden Regelungen (§§ 17 bis 19 UWG) reicht es, dass ein Unternehmer seine Geschäftsgeheimnisse erkennbar schützen will.

Für Geschäftsgeheimnisse sollte ein angemessenes, ausgearbeitetes Schutzkonzept existieren.

Wie viel Schutz ist nötig?

Welche konkreten Schutzmaßnahmen angemessen sind, legt der Gesetzentwurf nicht im Detail fest. An dieser Frage dürfen sich dann wohl die Gerichte abarbeiten. Die Begründung des Gesetzes legt jedoch zumindest mehrere Kriterien nahe:

  • den Wert der Information an sich (wie lukrativ wäre eine Lizenzierung oder ihr Verkauf?)
  • der bislang angefallen Entwicklungsaufwand, die Beschaffungskosten o. ä.
  • die Bedeutung der Information für das Unternehmen (Basieren sämtliche Produkte auf der Rezeptur oder nur ein Nischenprodukt?)

Welche Geheimhaltungsmaßnahmen ein Richter im Einzelfall für erforderlich halten wird, lässt sich nicht vorhersagen. Doch in der Praxis dürften wohl Fragen wie diese gestellt werden:

  • Gab es ausreichende Schweigeverpflichtungen in Arbeitsverträgen, in Liefer- und Servicevereinbarungen oder Projektverträgen?
  • War die IT-Sicherheit auf professionellem Stand?
  • Gab es taugliche physische und organisatorische Schutzmaßnahmen (Zugangskontrollen, Sicherheitsdienst, Videoüberwachung, Mitarbeiterschulungen …)?

Die Geheimhaltungsmaßnahmen dürften in vielen Verfahren um den Missbrauch von Geschäftsgeheimnissen eine Rolle spielen.

Welche Ansprüche haben Unternehmen bei Missbrauch von Geschäftsgeheimnissen?

Im Fall des Missbrauchs von Geschäftsgeheimnissen haben geschädigte Unternehmen recht weitreichende Ansprüche. Sie können von dem Verletzer (gegebenenfalls auch von dessen Arbeitgeber) vollständige Auskunft fordern, Schadenersatz geltend machen und den Rückruf, die Vernichtung oder Herausgabe von Dateien, Produkten, Dokumenten etc. verlangen.

Zum Schadenersatz kann auch der durch den Missbrauch entstandene Gewinn gehören.

Auch Geld- und Haftstrafen sind möglich

Die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen kann auch als Straftat verfolgt werden – und zwar dann, wenn sie durch einen Wettbewerber erfolgt, aus Eigennutz heraus, für einen Dritten oder um einem Unternehmer gezielt zu schaden.

Dann drohen bis zu drei Jahre Haft. Bei gewerblichem Handeln (etwa auf Firmengeheimnisse spezialisierten Hackern) oder bei der Absicht, die Geschäftsgeheimnisse für die Nutzung im Ausland zu beschaffen, sind es sogar fünf Jahre.

Beim Vorwurf „Verletzung von Geschäftsgeheimnissen“ ist ein Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wirtschaftsstrafrecht der richtige Ansprechpartner.