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So gelingt die Selbstanzeige beim Finanzamt wegen Steuerhinterziehung

Wer sich der Steuerhinterziehung schuldig gemacht hat, kann durch die Abgabe einer Selbstanzeige Straffreiheit erlangen. Der Gesetzgeber hat die Anforderungen an die Wirksamkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige in den letzten Jahren allerdings sukzessive verschärft. Erfahren Sie im Folgenden, was Sie bei der Erstellung und Abgabe einer Selbstanzeige beachten müssen, mit welchen Folgen zu rechnen ist und welche Vorgehensweise die größten Erfolgsaussichten hat.

1. Was ist eine strafbefreiende Selbstanzeige?

Mit der Selbstanzeige steht Steuerhinterziehern ein Instrument zur Verfügung, mit dessen Einsatz sie nachträglich und in Eigeninitiative strafrechtlichen Sanktionen entgehen können. Die strafbefreiende Selbstanzeige ist in § 371 der Abgabenordnung (AO) geregelt. Sie stellt die einzige gesetzliche Möglichkeit dar, um nach einer vollendeten – d.h. tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft verwirklichten – Steuerhinterziehung (§ 370 AO) Straffreiheit zu erlangen. Dies ist eine Besonderheit im deutschen Strafrecht, denn nur in eng begrenzten Ausnahmefällen können Täter nach einer vollendeten Tat durch eigenes Zutun eine Strafbarkeit vermeiden.

2. Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige

Damit eine Selbstanzeige wirksam ist, müssen sowohl positive als auch negative Voraussetzungen erfüllt sein. In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber die entsprechenden Anforderungen schrittweise verschärft. Nachdem das Selbstanzeigerecht zunächst 2011 durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz modifiziert wurde, kam es zum 1.1.2015 zu weiteren Änderungen der Gesetzeslage, die auch heute noch Bestand haben.

Vollständige Berichtigung bzw. Nachholung von Angaben

Wer mittels einer Selbstanzeige eine Strafe wegen Steuerhinterziehung vermeiden möchte, muss vollumfänglich reinen Tisch machen. Dies gilt sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht.

Sachlicher Umfang

Reuige Steuersünder müssen gegenüber dem Finanzamt zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart und in vollem Umfang unrichtige Angaben berichtigen, unvollständige Angaben ergänzen oder unterlassene Angaben nachholen.

Hierin liegt für den Steuerpflichtigen eine nicht zu unterschätzende Hürde. Denn wenn die Dokumentation der unzutreffenden oder unterlassenen Angaben auch nur in einem einzigen Punkt unvollständig oder fehlerhaft ist, führt dies zur Unwirksamkeit der gesamten Selbstanzeige. Anstatt der erstrebten Straffreiheit liefert der Steuerpflichtige sich dann somit aus eigenen Stücken der Strafverfolgung aus. Denn durch die unvollständige Selbstanzeige sind nun zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorhanden, die den Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung begründen. Die Staatsanwaltschaft ist sodann zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verpflichtet.

Eine Teilselbstanzeige führt demnach zur vollständigen Unwirksamkeit der Selbstanzeige.
Der BGH stellte insoweit bereits in einem 2010 ergangenen Urteil (zur damals geltenden Gesetzeslage) fest, dass die Straffreiheit nur denjenigen Steuerhinterziehern zugutekommen soll, die in vollem Umfang vollständige und richtige Angaben und damit „reinen Tisch” machen. Nur dann, so der BGH, sei eine Rückkehr in die Steuerehrlichkeit gegeben. Der Gesetzgeber hat sich nunmehr dieser Auffassung angeschlossen. Es gilt also sozusagen das Prinzip „Alles oder Nichts”. Eine Ausnahme davon besteht lediglich für die Umsatzsteuervoranmeldung und die Lohnsteueranmeldung.

Zeitlicher Umfang / Verjährung

Das Gebot vollständiger Berichtigung bzw. Nachholung von Angaben erstreckt sich in zeitlicher Hinsicht auf sämtliche noch nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, wenigstens aber auf sämtliche Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre.

Dies bedeutet: Zusätzlich zu allen unverjährten Steuerstraftaten muss der Steuerpflichtige alle Steuerstraftaten der letzten zehn Jahre anzeigen, ganz gleich, ob letztere bereits verjährt sind oder nicht.

Beispiel: Der Steuerpflichtige A erhält in den Jahren 2011, 2012 und 2019 vom Finanzamt jeweils einen Steuerbescheid, der auf unrichtigen Angaben des A beruht. Infolgedessen zahlt A jeweils weniger Steuern als er eigentlich müsste.
 
Die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung beträgt fünf, in besonders schweren Fällen zehn Jahre. Sie beginnt in der Regel mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Steuerpflichtigen. Wenn es sich bei sämtlichen Taten des A um Fälle der einfachen Steuerhinterziehung handelt, sind die Steuerhinterziehungen aus den Jahren 2011 und 2012 (vorbehaltlich etwaiger Hemmungen der Verjährungsfrist) spätestens mit Ablauf des Jahres 2017 verjährt.
 
Möchte A nun (im Jahr 2020) für die noch nicht verjährte Steuerhinterziehung aus dem Jahr 2019 eine strafbefreiende Selbstanzeige erstatten, so genügt es nicht, wenn er nur die Tat aus dem Jahr 2019 anzeigt. Zusätzlich muss er auch die bereits verjährten Taten aus den Jahren 2011 und 2012 deklarieren.

Fristgerechte Nachzahlung von Steuern und Zinsen

Zur Wirksamkeit der Selbstanzeige und somit zur erstrebten Straffreiheit genügt es nicht, dass der Steuerpflichtige die unzutreffenden oder unterlassenen Angaben vollständig berichtigt bzw. nachholt. Zusätzlich muss er die Steuern fristgerecht nachzahlen, die er zu seinen Gunsten hinterzogen hat. Des Weiteren ist er ebenso verpflichtet, Hinterziehungszinsen fristgerecht zu entrichten. Diese bestehen in Höhe von 6 % pro Jahr. Ihr Sinn und Zweck besteht in der Abschöpfung des Liquiditätsvorteils, den der Steuerhinterzieher durch die Vorenthaltung der Steuersumme erlangt hat.

Kein Sperrgrund

Zur Wirksamkeit der strafbefreienden Selbstanzeige dürfen keine Ausschlussgründe vorliegen. Diese legen fest, ab wann eine Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung mehr entfaltet.

  • Wenn die Selbstanzeige zu einem Zeitpunkt erstattet wird, in dem das Entdeckungsrisiko bereits hinreichend konkret geworden ist, soll dem Steuerpflichtigen keine Strafbefreiung zugutekommen.
  • Gleiches gilt, wenn die Hinterziehungssumme eine bestimmte Höhe überschreitet oder ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt.

Das Gesetz listet die folgenden Ausschlussgründe auf:

  • Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung
  • Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens
  • Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung
  • Auftreten eines Amtsträgers zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit
  • Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde zur steuerlichen Nachschau
  • Entdeckung einer der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
  • Ausschluss, wenn die verkürzte Steuer den Betrag von 25.000 Euro pro Tat übersteigt
  • Ausschluss, wenn ein besonders schwerer Fall vorliegt
Falls einer der beiden letztgenannten Ausschlussgründe vorliegt, ist eine Selbstanzeige zwar unwirksam. Jedoch wird von einer Bestrafung abgesehen, wenn der Täter zusätzlich einen Hinterziehungs-Zuschlag an die Staatskasse zahlt. Im Ergebnis bleibt der Steuersünder also gleichermaßen straffrei.

3. Folgen einer Selbstanzeige

Die rechtlichen Folgen einer Selbstanzeige hängen davon ab, ob diese wirksam oder unwirksam ist.

Bei Wirksamkeit der Selbstanzeige

Hat der Steuerpflichtige eine wirksame Selbstanzeige abgegeben, so muss er mit keinen strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Die Staatsanwaltschaft wird keine Ermittlungen durchführen, keine Anklage erheben und der Steuerpflichtige wird nicht bestraft. Außerstrafrechtliche Konsequenzen können jedoch durchaus eintreten. So schützt eine Selbstanzeige z.B. nicht vor etwaigen beamtenrechtlichen Disziplinarmaßnahmen.

Bei Unwirksamkeit der Selbstanzeige

Im Falle einer unwirksamen Selbstanzeige kommt der Steuerpflichtige grundsätzlich nicht in den Genuss der Straffreiheit. Eine Ausnahme besteht, wenn eine Selbstanzeige nur deshalb unwirksam ist, weil die Hinterziehungssumme pro Tat 25.000 Euro übersteigt oder ein besonders schwerer Fall vorliegt. Dann ist von der Strafverfolgung abzusehen, wenn der Steuerpflichtige zusätzlich zur fristgerechten Nachzahlung von Steuern und Zahlung von Hinterziehungszinsen einen Hinterziehungs-Zuschlag entrichtet. Dieser richtet sich nach der Höhe des hinterzogenen Betrags.

  • 10 Prozent der hinterzogenen Steuer bei einem Hinterziehungsbetrag bis einschließlich 100.000 Euro
  • 15 Prozent der hinterzogenen Steuer bei einem Hinterziehungsbetrag, der 100.000 Euro, aber nicht 1.000.000 Euro übersteigt
  • 20 Prozent der hinterzogenen Steuer bei einem Hinterziehungsbetrag, der 1.000.000 Euro übersteigt

4. Vorgehen und Erfolgsaussichten

Wer Steuern hinterzogen hat und durch die Abgabe einer Selbstanzeige Straffreiheit anstrebt, sollte zuvor unbedingt einen erfahrenen und spezialisierten Rechtsanwalt (etwa einen Fachanwalt für Steuerrecht) konsultieren, denn bei der Erstellung und Abgabe einer Selbstanzeige lauern einige Fallstricke und Gefahren.

Wie geschildert, führt nur eine wirksame (also insbesondere vollständige und rechtzeitige) Selbstanzeige zur Straffreiheit. In der Praxis besteht dabei vor allem die Schwierigkeit, sämtliche benötigte (Bank-)Unterlagen zu beschaffen. Etwaige Erinnerungslücken sowie Rechtsunsicherheiten hinsichtlich des zeitlichen Umfangs des Berichtigungsgebots (dies betrifft insbesondere die Fristberechnung) stellen zusätzliche Schwierigkeiten dar. Ein (der Schweigepflicht unterliegender) Rechtsanwalt bietet hier zuverlässige Hilfe und unterstützt Steuerpflichtige bei allen Aspekten der Selbstanzeige. Neben einer kompetenten Beratung sind dies die Erstellung der Selbstanzeige, die Einreichung der Selbstanzeige beim Finanzamt sowie die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung.

Eine Selbstanzeige sollte stets schriftlich verfasst werden. Zwar enthält das Gesetz keine zwingenden Formvorschriften. Zum Zwecke der Beweisbarkeit und der Vermeidung von Missverständnissen empfiehlt sich jedoch die Schriftform.

Die Selbstanzeige muss ferner an das sachlich und örtlich zuständige Finanzamt gerichtet sein sowie den Namen des Steuerpflichtigen und dessen Steuernummer enthalten. Wenn eine Selbstanzeige nach eingehender Beratung durch einen Rechtsanwalt verfasst wird, kann entweder dessen Briefkopf oder jener des Steuerpflichtigen verwendet werden. Inhaltlich unterscheiden sich die beiden Varianten nicht. Der Begriff “Selbstanzeige” sollte jedoch nicht verwendet werden. Andernfalls könnten das Finanzamt umgehend die Staatsanwaltschaft informieren, woraufhin diese Ermittlungen einleiten könnte. Umschreibungen wie “Berichtigung” oder “Korrektur” sind die bessere Wahl.

Die Selbstanzeige sollte mit der eigenhändigen Unterschrift des Steuerpflichtigen enden. Den Kern der Selbstanzeige stellt die Erfüllung der o.g. Wirksamkeitsvoraussetzungen dar.

Die Erfolgsaussichten einer Selbstanzeige hängen folglich vor allem davon ab, ob

  • sie rechtzeitig eingereicht wurde,
  • die hinterzogene Steuersumme zurückgezahlt und die Hinterziehungszinsen entrichtet wurden
  • es gelingt, alle fehlerhaften oder unterlassenen Angaben zu berichtigen oder nachzuholen.

Der Beistand eines Rechtsanwalts erhöht die Erfolgsaussichten signifikant. Sollte eine Selbstanzeige nicht wirksam sein und ein Strafverfahren eingeleitet werden, wird die Erstattung einer Selbstanzeige strafmildernd berücksichtigt.

5. Fazit

  • Mit der Abgabe einer Selbstanzeige können Steuerhinterzieher nach einer schuldhaft verwirklichten Steuerhinterziehung Straffreiheit erlangen.
  • Straffreiheit tritt jedoch nur ein, wenn die Selbstanzeige wirksam ist. Hierfür muss sie formale und inhaltliche Voraussetzungen erfüllen.
  • In formaler Hinsicht muss sie rechtzeitig abgegeben werden. Insbesondere dürfen die Ermittlungsbehörden die Steuerstraftat(en) noch nicht entdeckt haben.
  • In inhaltlicher Hinsicht sind Angaben vollständig zu berichtigen bzw. nachzuholen.
  • Die hinterzogenen Steuern müssen fristgerecht nachgezahlt werden. Gleiches gilt für Hinterziehungszinsen.
  • Bei einer Hinterziehungssumme größer als 25.000 Euro und in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung führt die Abgabe einer Selbstanzeige allein noch nicht zur Straffreiheit. Zusätzlich ist ein Zuschlag an die Staatskasse zu zahlen.
  • Vor der Abgabe einer Selbstanzeige sollte stets ein spezialisierter Rechtsanwalt zu Rate gezogen werden. Dieser berät Sie kompetent und vertraulich und vertritt Ihre Interessen in allen rechtlichen Angelegenheiten der Selbstanzeige.