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Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt: So geht es richtig

Der Grundsatz ist: Festgesetzte Steuern müssen gezahlt werden. Was aber können Sie tun, wenn die Steuerschuld laut Steuerbescheid höher ist als erwartet? Wir informieren Sie, was Sie unternehmen können, damit die Steuerforderung vorläufig nicht eingezogen wird.

1. Was ist die Aussetzung der Vollziehung und wieso ist sie erforderlich?

Die Aussetzung der Vollziehung ist ein Begriff aus dem Abgabenrecht und ist in § 361 Abgabenordnung (AO) geregelt. Um die Notwendigkeit dieses Verfahrens zu verstehen, muss man Folgendes wissen:

Ein Einspruch oder eine Klage gegen einen Steuerbescheid lässt die Steuerschuld bestehen und die Steuer muss trotzdem erstmal fristgemäß gezahlt werden.

Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass der Steuerpflichtige einen Einspruch oder eine Klage nutzt, um eine längere Zahlungsfrist zu erwirken. Stellt sich nach dem Einspruchs- bzw. Klageverfahren heraus, dass die Steuerforderung tatsächlich unberechtigt war, wird die gezahlte Summe zurückgezahlt.

Um dennoch zu erreichen, dass die Steuerschuld nicht eingetrieben wird, gibt es den Rechtsbehelf der Aussetzung der Vollziehung.

Die Aussetzung der Vollziehung muss gesondert beantragt werden. Sie wird nicht automatisch zusammen mit dem Einspruch oder der Klage gegen den Steuerbescheid geprüft.

Die Aussetzung der Vollziehung kann sogar rückwirkend beantragt und gewährt werden. Dies hängt davon ab, zu welchem Zeitpunkt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids erkennbar vorlagen. Wenn die Vollziehung rückwirkend aufgehoben wird, entfallen bereits entstandene Säumniszuschläge. Hat die Finanzverwaltung bereits Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen – z.B. eine Pfändung – dann bleiben diese bestehen. Etwas anderes gilt nur, wenn ausdrücklich angeordnet wird, dass sie (rückwirkend) aufgehoben werden.

2. Was sind die Voraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung?

Antragsvoraussetzungen

Um erfolgreich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

Zuständige Behörde: Zuständig ist die Finanzbehörde, die den angefochtenen Steuerbescheid erlassen hat. Diese Finanzbehörde ist auch die richtige Adressatin für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist, der schriftlich gestellt werden sollte.

Frist: Eine Frist zur Stellung des Antrags gibt es nicht. Allerdings ist zu empfehlen, den Antrag vor Fälligkeit der strittigen Steuerforderung bei der Finanzbehörde zu stellen und zu begründen. In diesem Fall wird die Aussetzung der Vollziehung in der Regel ab Fälligkeit der strittigen Steuerbeträge zugesprochen.

Wird der Antrag auf Aussetzung erst nach Fälligkeit der strittigen Steuerforderung gestellt und begründet, so wird regelmäßig erst ab dem Zeitpunkt des Antrags bzw. der Begründung die Vollziehung ausgesetzt. Es besteht dann die Gefahr, dass Vollstreckungsmaßnahmen getroffen werden. Zudem müssen Vollzugszinsen gezahlt werden, wenn Fälligkeit eingetreten ist.

Vollziehbarer Verwaltungsakt: Die Aussetzung der Vollziehung kann nur bei einem vollziehbaren Verwaltungsakt beantragt werden:

Vollziehbar sind:

  • Steuerbescheid, der eine (positive) Steuer festsetzt,
  • Vorauszahlungsbescheid bis zum Erlass des Jahressteuerbescheids,
  • Leistungsgebote,
  • Widerruf einer Stundung.
Steuerbescheide mit einer Steuerschuld von 0 Euro, Steuerbescheide mit negativer Steuer und Bescheide, die den Erlass oder die Korrektur eines Bescheides ablehnen, sind nicht vollziehbar. Wenn Sie also eine Steuererstattung erhalten, aber eine höhere Summe erwarteten haben, können Sie zur Einforderung des Differenzbetrags keine Aussetzung der Vollziehung beantragen.

Einspruch: Eine Aussetzung der Vollziehung kann nur in Verbindung mit einem Einspruch beantragt werden. Der Steuerbescheid muss also potenziell unrichtig sein. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann bereits mit dem Einspruch oder nachträglich gestellt werden.

Begründung: Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung muss begründet werden. Gründe für eine Aussetzung könnten ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung oder eine unbillige Härte für den Betroffenen sein.

Hinweis: Auch wenn das Finanzamt Ihre Besteuerungsgrundlagen geschätzt hat, können Sie Einspruch einlegen und damit auch die Aussetzung der Vollziehung beantragen.

Gründe für einen erfolgreichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuer Unbillige Härte für den Betroffenen
  • Es liegen Gründe vor, die für eine Unrechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung sprechen.
  • Die Gründe müssen gegenüber dem Interesse an der Einziehung der Steuerforderung nicht überwiegen, es muss also nicht wahrscheinlich sein, dass der Steuerpflichtige das Verfahren gewinnt. Es genügt, wenn die Gründe so gewichtig sind, dass die Möglichkeit besteht, dass die Steuerforderung unrechtmäßig ist.
  • Wenn das öffentliche Interesse an der Vollziehung gegenüber dem privaten Interesse überwiegt, liegen keine ernstlichen Zweifel vor. Das öffentliche Interesse überwiegt in der Regel, wenn die Aussetzung der Vollziehung zu einer Nichtanwendung des gesamten Gesetzes führen würde, die Bedeutung des Eingriffs durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids als gering einzustufen ist und es keine dauerhaften nachteiligen Auswirkungen geben wird.
  • Dem Steuerpflichtigen drohen durch die Zahlung der Forderung wirtschaftliche Nachteile. Diese Nachteile müssen die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen bedrohen.
  • Die Nachteile müssen so gravierend sein, dass sie durch eine spätere Rückzahlung der Steuerforderung nicht mehr ausgeglichen werden können. Ein Beispiel dafür ist die Insolvenz des Steuerpflichtigen.
  • Die unbillige Härte muss gerade in der vorzeitigen Zahlung der Steuer begründet sein. War der Steuerpflichtige bereits vor der Zahlung in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, liegt keine unbillige Härte vor.

3. Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung

Prüfung durch das Finanzamt

Zunächst prüft das Finanzamt, ob und in welcher Höhe Ihre Steuer möglicherweise unrichtig festgesetzt wurde. Nur in dieser Höhe wird das Finanzamt die Steuer von der Vollziehung aussetzen und Sie darüber informieren.

Beispiel: Laut Steuerbescheid sollen Sie 12.000 Euro nachzahlen. Nach Ihrer eigenen Berechnung müssten Sie nur 8.000 Euro Steuern nachzahlen, d.h. 4.000 Euro weniger. Sie legen Einspruch ein und beantragen die Aussetzung der Vollziehung.
 
Das Finanzamt kommt zu dem Schluss, dass Sie möglicherweise Recht haben, muss den Einspruch aber noch prüfen. Es stimmt Ihrem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung daher zu. Die strittigen 4.000 Euro werden von der Vollziehung ausgenommen. Die verbleibenden 8.000 Euro müssen Sie bis zur bisherigen Fälligkeit zahlen.

Sicherheitsleistung für die Aussetzung

Das Finanzamt kann eine Sicherheitsleistung in Form einer Geldleistung oder der Hinterlegung von Wertgegenständen verlangen. Nach Zahlung der Forderung oder nach Beendigung des Verfahrens wird die Sicherheitsleistung zurückgegeben. Die Aussetzung der Vollziehung wird in diesem Fall erst mit Leistung der Sicherheit wirksam (sog. aufschiebende Bedingung).

Wie lange bleibt die Aussetzung der Vollziehung bestehen?

Die Aussetzung der Vollziehung endet auch ohne ausdrückliche Aufhebung regelmäßig einen Monat nach

  • Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bzw. Zustellung des Urteils oder
  • Eingang der Rücknahme des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung oder
  • Bekanntgabe eines Änderungsbescheides.

Was passiert, wenn Sie im Einspruchsverfahren nicht oder nur teilweise Recht bekommen?

Es kann passieren, dass das Finanzamt zwar Ihrem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zustimmt, aber dem gleichzeitig eingelegten Einspruch nicht oder nur teilweise zustimmt. Sie müssen dann nach der Entscheidung über Ihren Einspruch den bisher ausgesetzten Betrag oder einen Teil davon bezahlen. Hinzu können Zinsen für die Aussetzung kommen.

Sie erhalten hierüber eine Information durch das Finanzamt, zum Beispiel durch

  • einen geänderten Steuerbescheid,
  • eine Einspruchsentscheidung,
  • eine separate Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung.

Zinsen für die Aussetzung

Wird das Verfahren beendet und wurde die Forderung rechtmäßig feststellt, dann muss der Steuerpflichtige nicht nur die Summe der Steuerpflicht, sondern auch Zinsen zahlen.

Die Verzinsung beginnt am Tag der Fälligkeit der Forderung, die sich aus dem ursprünglichen Steuerbescheid ergibt, und endet mit dem Tag, an dem das Verfahren beendet wurde. Nur wenn die Erhebung der Zinsen eine unbillige Härte darstellen würde, ist von der Erhebung abzusehen.

Praxistipp: Um hohe Aussetzungszinsen zu vermeiden, sollten Sie sehr sorgfältig prüfen, über welche Höhe Sie Ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen. Lassen Sie sich im Zweifel durch einen Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht beraten.

Die Höhe der Zinsen beträgt unabhängig vom aktuellen Zinsniveau 0,5 Prozent pro Monat seit Eingang des ursprünglichen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt. Sie wird nur für volle Monate berechnet (§§ 237, 238 AO).

Ausnahmen: Kirchensteuer sowie steuerliche Nebenleistungen wie Säumniszuschläge oder Verspätungszuschlage werden nicht verzinst.

4. Was kann man tun, wenn der Antrag abgelehnt wird?

Die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung ergeht als Entscheidung in einem gesonderten Verwaltungsverfahren unabhängig vom Einspruchsverfahren.

Gegen die Ablehnung des Antrags kann Einspruch eingelegt werden. Das geht zwar grundsätzlich auch eigenständig – eine anwaltliche Beratung ist zur Verbesserung der Erfolgsaussichten aber empfehlenswert.

5. Fazit

  • Aussetzung der Vollziehung bedeutet, dass Sie Ihre Steuern oder einen Teil davon vorerst nicht zahlen müssen.
  • Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann nur in Verbindung mit einem Einspruch gestellt werden und muss gesondert beantragt werden.
  • Stellen Sie den Antrag rechtzeitig vor Fälligkeit der Steuern! So vermeiden Sie Überschneidungen, zum Beispiel wenn Sie am Lastschrift-Einzugsverfahren teilnehmen.
  • Wird das Verfahren beendet und die Steuerschuld rechtmäßig feststellt, müssen Sie die Steuerschuld zuzüglich Zinsen zahlen.