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Umsatzsteuer-Nachschau durch das Finanzamt – Das sollten Sie wissen

Die Umsatzsteuer-Nachschau ist eine besondere Art der Steuerprüfung. Sie klingt harmlos, ist aber alles andere als angenehm. Eine Umsatzsteuer-Nachschau erfolgt nämlich nur dann bei Unternehmern und Selbstständigen, wenn aus Sicht des Finanzamtes erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldung oder -erklärung vorliegen.

1. Was ist die Umsatzsteuer-Nachschau und wann wird sie durchgeführt?

Die Umsatzsteuer-Nachschau wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2002 mit dem Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz eingeführt und soll eine gleichmäßige Festsetzung und Erhebung der Umsatzsteuer sicherstellen. Damit dient sie der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs und ist in § 27b Umsatzsteuergesetz (UstG) geregelt.

Hinweis: Die Umsatzsteuer-Nachschau ist auf die Überprüfung der umsatzsteuerrechtlichen Verhältnisse beschränkt. Andere steuerrechtliche Aspekte dürfen nicht geprüft werden.

Die Umsatzsteuer-Nachschau kann jederzeit und ohne Voranmeldung durch das Finanzamt erfolgen. Sie wird von speziell geschulten und befugten Mitarbeitern durchgeführt und erfolgt insbesondere wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Unternehmen oder der Selbstständige seine umsatzsteuerrechtlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt:

  • Existenzprüfung bei neu gegründeten Unternehmen
  • Auffälligkeiten oder Ungereimtheiten in der Umsatzsteuervoranmeldung oder der Umsatzsteuerjahreserklärung
  • fehlende Umsatzsteuervoranmeldungen, wiederholte Nullmeldungen oder hohe steuerfreie Umsätze
  • fehlende und unvollständige Aufzeichnungen
  • besonders hohe Vorsteuerabzüge
  • häufiger Wechsel zwischen Umsatzsteuerzahlungen und Vorsteuererstattungen
  • Beschwerden von Kunden oder Lieferanten bzw. anonyme Anzeigen
  • Kontrollmitteilungen anderer Finanzämter
  • Verstöße gegen die Aufbewahrungspflichten
Praxishinweis: Einer der häufigsten Anwendungsfälle der Umsatzsteuer-Nachschau ist die Existenzprüfung bei neu gegründeten Unternehmen. In diesen Fällen prüft die Finanzverwaltung, ob ein Unternehmen, das insbesondere in der Anfangsphase besonders hohe Vorsteuerbeträge geltend macht, unter der angegebenen Anschrift überhaupt existiert und ob behauptete Anschaffungen auch tatsächlich getätigt wurden.

Die Umsatzsteuer-Nachschau kann nicht sicher vermieden werden. Es sollte jedoch bereits bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung sowie der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für ausreichend Transparenz gesorgt werden. Werden ungewöhnliche oder besonders hohe Vorsteuerabzüge oder Überschüsse geltend gemacht, so kann dies beispielsweise direkt mit aussagekräftigen Unterlagen und Erklärungen belegt werden. Die Unterlagen können Sie an Ihren Steuerberater schicken.

Sind die Unterlagen geeignet, sämtliche Zweifel an umsatzsteuerlichen Sachverhalten auszuräumen, ist für eine Umsatzsteuer-Nachschau kein Raum mehr.

2. Was unterscheidet die Umsatzsteuer-Nachschau von anderen steuerrechtlichen Prüfungen?

Bezogen auf die Überprüfung der umsatzsteuerrechtlichen Nachprüfung durch die Steuerbehörden gibt es drei mögliche Prüfungsformen:

  • Umsatzsteuer-Nachschau
  • Umsatzsteuer-Sonderprüfung
  • Außenprüfung

Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht die Unterschiede zwischen diesen steuerrechtlichen Prüfungen:

Umsatzsteuer-Nachschau Umsatzsteuer-Sonderprüfung Außenprüfung/Betriebsprüfung
Prüfungsanlass Anhaltspunkte notwendig, keine routinemäßige Prüfung Anhaltspunkte notwendig, keine routinemäßige Prüfung Routinemäßige Prüfung, keine Anhaltspunkte nötig
Prüfungsinhalt Auf die Umsatzsteuer beschränkt Auf die Umsatzsteuer beschränkt Keine Begrenzung auf bestimmte Steuerart
Ankündigung Keine Ankündigung Keine Ankündigung Schriftliche Ankündigung
Prüfungszeitraum Keine zeitliche Begrenzung Begrenzung auf bestimmten Zeitraum (z.B. bestimmte Monate, Voranmeldezeiträume, Sachverhalte) Begrenzung auf bestimmten Zeitraum; Erweiterung des Prüfungszeitraums möglich
Prüfungsbericht Kein Prüfungsbericht Prüfungsbericht Prüfungsbericht

3. Wie läuft das Verfahren bei der Umsatzsteuer-Nachschau ab?

Da eine Umsatzsteuer-Nachschau jederzeit und unangekündigt durchgeführt werden kann, sollten Sie das grundsätzliche Verfahren dieses Kontrollinstrumentes kennen:

Unangekündigte Kontrolle

Die Umsatzsteuer-Nachschau kann jederzeit und ohne Ankündigung stattfinden.

Für den Unternehmer bzw. Selbständigen bedeutet dies, dass er seine umsatzsteuerrechtlichen Unterlagen stets in Ordnung halten muss. Da die Umsatzsteuer-Nachschau unangekündigt durchgeführt werden kann, hat er nämlich keine Möglichkeit mehr, seine Steuerunterlagen zu ordnen. Genau das ist durch die unangekündigte Kontrolle gewollt.

Die Steuerprüfer stehen während der üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten vor der Tür und verlangen Einblick in die relevanten Unterlagen. Sie müssen sich vor Beginn der Nachschau lediglich ausweisen.

Merke: Die Umsatzsteuer-Nachschau findet unangekündigt statt.

In der Aufregung der Prüfungssituation können schnell Aussagen getroffen werden, die später von Nachteil sind. Sie sollten sich daher frühzeitig mit den Besonderheiten, Konsequenzen und richtigen Verhaltensweisen bei der Umsatzsteuer-Nachschau vertraut machen. Lassen Sie sich im Zweifel von Ihrem Steuerberater oder einem Fachanwalt für Steuerrecht beraten.

Einsichtnahme und Zugangsrechte der Steuerprüfer

Im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau muss den Steuerprüfern auf Verlangen Zugriff auf alle für die Umsatzsteuer relevanten Unterlagen, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Urkunden, Bücher und sonstige Dokumente verschafft werden – dies gilt auch für Dokumente in elektronischer Form. Entscheidend ist, ob die Unterlagen mit der Umsatzsteuer zu tun haben. Bei Rechnungen achten die Prüfer insbesondere auf die korrekte Ausstellung.

Praxishinweis: Die Herausgabepflicht beschränkt sich auf umsatzsteuerrechtlich relevante Unterlagen. Es müssen keine Unterlagen herausgegeben oder Auskünfte erteilt werden, die sich auf andere Steuerarten (z.B. Gewerbes- oder Körperschaftssteuer) oder auf private Angelegenheiten beziehen.

Den Steuerprüfern muss zudem Zugang zu allen Räumen und Grundstücken gewährt werden, soweit diese für die unternehmerische Tätigkeit bestimmt sind und auch tatsächlich genutzt werden.

Die Umsatzsteuer-Nachschau kann auch ohne jegliche Beteiligung oder gar des Wissens des Unternehmers stattfinden, zum Beispiel wenn der Steuerprüfer lediglich nachprüft, ob ein Unternehmen bestimmte Geschäftsräume tatsächlich angemietet hat. Dafür reicht es in der Regel aus, dass der Prüfer unter der angegebenen Adresse nachschaut, ob sich solche Räumlichkeiten dort befinden. Hier reicht eine Augenscheinnahme der Räumlichkeiten oder der Adresse von öffentlich zugänglichen Flächen.

Betreten von Wohn- und Privaträumen

Grundsätzlich dürfen die Steuerprüfer ohne Willen des Inhabers Wohn- und Privaträume nicht betreten. Artikel 13 des Grundgesetzes schützt insofern das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung und damit die Privatsphäre des Unternehmers bzw. Selbstständigen.

Eine Ausnahme davon macht § 27 Abs. 1 Satz 2 UStG: Zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung können auch Wohnräume betreten werden. Davon ist bei einem möglichen Verstoß gegen umsatzsteuerrechtliche Pflichten allerdings kaum auszugehen.

Der Steuerprüfer darf Privaträume ebenfalls mit einer richterlichen Anordnung betreten.

Gemischt genutzte Räumlichkeiten sind solche Räume, die sowohl privat als auch für einen unternehmerischen Zweck genutzt werden, bspw. ein häusliches Arbeitszimmer. Der Schutzbereich des Grundgesetzes erstreckt sich auch auf solche Räume, außer der private Zweck spielt eine völlig untergeordnete Rolle.

4. Übergang zu anderen Prüfungsarten

Übergang zur Betriebsprüfung möglich

Werden im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau Erkenntnisse gewonnen, die Anlass zu einer erweiterten Prüfung geben, kann das Finanzamt ohne vorherige Anordnung zu einer Betriebsprüfung übergehen. Dies ergibt sich aus § 27b Abs. 3 UstG.

Anders als bei einer regulären Betriebsprüfung, bei der verschiedene Steuerarten geprüft werden können, ist die Prüfung in diesem Fall allerdings auf die Umsatzsteuer beschränkt. Im Ergebnis handelt es sich daher um eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ohne vorherige Ankündigung. Es ist lediglich erforderlich, dass die Finanzverwaltung auf den Übergang zur Sonderprüfung schriftlich hinweist. Da die Sonderprüfung zeitlich und inhaltlich beschränkt ist, muss der Prüfungsumfang im Rahmen des schriftlichen Hinweises mitgeteilt werden.

Die Anordnung einer darüber hinausgehenden Außenprüfung ohne Ankündigung bleibt nach § 197 Abs. 1 Satz 1 AO zulässig, wenn der Prüfungszweck durch eine vorherige Ankündigung gefährdet wird.

Je nach Festlegung des Prüfungsumfangs ergeben sich erhebliche Konsequenzen, weshalb schon bei Beginn der Umsatzsteuer-Nachschau ein steuerlicher Berater hinzugezogen werden sollte.

Keine Umsatzsteuer-Nachschau bei strafrechtlichen Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung

Eine Umsatzsteuer-Nachschau darf nicht durchgeführt werden, wenn der Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung vorliegt. Ergibt sich ein solcher Verdacht während der Nachschau, ist diese anzubrechen. In diesen Fällen ist ein Steuerstrafverfahren einzuleiten. Wird die Umsatzsteuer-Nachschau dennoch durchgeführt bzw. weitergeführt, stellt dies eine Täuschung im Sinne des § 136a StPO dar.

Die Konsequenz ist ein Verwertungsverbot der durch die Nachschau erlangten Beweismittel.

5. Verhaltenshinweise im Ernstfall

Im Folgenden geben wir einige grundlegende Verhaltenshinweise.

Praxistipp: Sie sollten mit einem Fachanwalt für Steuerrecht Ihren konkreten Einzelfall erörtern und sich verständigen, wie Sie sich im Ernstfall verhalten sollten.
  • Steuerberater gleich anrufen: Kontaktieren Sie unverzüglich Ihren steuerlichen Berater (Fachanwalt für Steuerrecht oder Steuerberater) und bitten Sie ihn, an der Prüfung teilzunehmen.
  • Zeitpunkt: Die Prüfer der Finanzverwaltung dürfen in der Regel nur während der regulären Geschäfts- und Arbeitszeiten die Umsatzsteuer-Nachschau durchführen. Maßgeblich sind die branchenüblichen Arbeitszeiten.
    Achtung: Davon kann abgewichen werden, wenn in Ihrem Unternehmen außerhalb dieser Arbeitszeiten regelmäßig gearbeitet wird.

    Zwar kann die Finanzverwaltung zu jedem Zeitpunkt unangekündigt erscheinen. Erscheint der Zeitpunkt jedoch völlig unpassend, weil sie beispielsweise gerade Ihr EDV-System umstellen oder Sie mit der Inventur beschäftigt sind, ist ein Antrag auf Verschiebung der Nachschau erfolgversprechend.

  • Ausweisen der Prüfer: Fordern Sie die Prüfer gegebenenfalls auf sich auszuweisen, sollten sie dies nicht von sich aus machen. Rufen Sie gegebenenfalls bei der Finanzverwaltung an, wenn Sie Zweifel haben.
  • Anlass und Umfang: Lassen Sie sich von den Steuerprüfern genau erklären, aus welchen Gründen sie die Umsatzsteuer-Nachschau durchführen. Fragen Sie zum geplanten Umfang der Ermittlungen und lassen Sie sich darüber informieren, was genau die Prüfer untersuchen wollen.
  • Zutritt zu Geschäftsräumen und Zugriff auf Dokumente: Es dürfte in der Praxis keinen Erfolg haben, den Prüfern den Zutritt zu Geschäftsräumen zu verweigern oder Unterlagen nicht auszuhändigen. Vielmehr könnte dieses Verhalten dazu führen, dass die Finanzverwaltung bei Ihnen steuerliche Ungereimtheiten vermutet. Damit riskieren Sie, dass die Finanzverwaltung von sämtlichen ihr zustehenden Rechten zur Prüfung Gebrauch macht. Möglich ist sogar, dass sie die Prüfung durch die Steuerfahndung mit weitergehenden Rechten hinzuzieht.
    Prüfer sind berechtigt, auch auf Ihre elektronisch gespeicherten Aufzeichnungen zuzugreifen.

6. Entscheidungen im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau

Abschluss der Umsatzsteuer-Nachschau

Entscheidungen im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau ergehen als Verwaltungsakt: Der Steuerpflichtige erhält einen Bescheid, mit dem die Finanzbehörde ihm gegenüber eine Verfügung oder Entscheidung trifft.

Dabei sind die möglichen Maßnahmen und/oder Entscheidungen vielfältig:

  • Einstellung ohne weitere Pflichten für das Unternehmen
  • (Neu-)Festsetzung der Umsatzsteuer
  • Übergang zur weiteren steuerrechtlichen Prüfung (z.B. Betriebsprüfung)
  • Einleitung eines Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens

Vorgehen gegen Entscheidungen im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau

Entscheidungen, die im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau ergehen, können mit einem Einspruch angefochten werden (§ 347 AO). Auch gegen die Entscheidung, dass die Umsatzsteuer-Nachschau überhaupt stattfindet, kann mit einem Einspruch vorgegangen werden. Der für die Finanzverwaltung tätige Prüfer ist berechtigt und verpflichtet, den schriftlichen Einspruch entgegenzunehmen.

Praxishinweis: Der Einspruch hat keine aufschiebende Wirkung, so dass die Umsatzsteuer-Nachschau trotz Einspruch durchgeführt und eine etwaige Entscheidung vollzogen werden kann. Eine Ausnahme besteht, wenn die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ausgesetzt wurde (§ 361 AO, § 69 FGO).

Nach Abschluss der Umsatzsteuer-Nachschau sind sowohl der Einspruch als auch eine etwaige Anfechtungsklage unzulässig. Hier kommt dann die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO) in Betracht. Darüber hinaus kann man den Steuerbescheid anfechten, wenn die Ergebnisse der Umsatzsteuer-Nachschau dort berücksichtigt wurden. Ziel ist es insofern, ein steuerliches Verwertungsverbot zu erlangen. Ein Fachanwalt für Steuerrecht kann Sie hierzu beraten.

7. Das Wichtigste auf einen Blick

  • Die Umsatzsteuer-Nachschau kann jederzeit ohne vorherige Ankündigung erfolgen. Es ist lediglich ein Anfangsverdacht erforderlich.
  • Insbesondere zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit ist das Risiko einer Umsatzsteuer-Nachschau groß, wenn hohe Vorsteuerabzüge – z.B. durch teure Anschaffungen – geltend gemacht werden. Dieses Risiko kann möglicherweise verringert werden, indem bei Umsatzsteuer-Voranmeldung und -Jahreserklärung für ausreichend Transparenz gesorgt wird.
  • Wenn die Finanzverwaltung im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau einen Bescheid gegen Sie erlässt, so können Sie diesen mit einem Einspruch anfechten.
  • Aufgrund der erheblichen Konsequenzen empfiehlt es sich in der Praxis, den eigenen steuerrechtlichen Berater zu verständigen, wenn es zur Nachschau kommt. Je nach Prüfungsergebnis kann beispielsweise die Umsatzsteuer neu festgesetzt werden und es drohen Ordnungsgelder bei Verstoß gegen umsatzsteuerrechtliche Pflichten.